Im Bann des Feuers Drachen2
und Staub auf den Geist. »Verschwinde, lass mich in Ruhe!«
Einer der Steine traf den Vogel mitten gegen die Brust. Er kreischte und schüttelte wütend den Kopf in meine Richtung. Ein anderer Steinbrocken landete auf dem Dach direkt hinter ihm. Mit einem weiteren Schrei erhob sich der Geier in die Luft.
Ich lief hinter ihm her, dem Geist meiner Mutter, schleuderte ihm Steine und Schimpfworte nach. Er stieg höher, langsam, gemächlich. Mit trägen Flügelschlägen überquerte er die Grenzen der Stalldomäne und verschwand.
Ich stand keuchend auf dem Hof, die Faust um einen letzten Stein gekrampft.
Ich musste etwas essen. Das würde mich sicherlich kräftigen und mir helfen, mich dem gnadenlosen Willen meiner Mutter zu widersetzen.
Ganz bestimmt würde es das tun.
Ich musste mich mit irgendetwas behelfen, und es durfte nicht das Gift sein. Ich durfte niemals wieder in diesem verführerischen, geistesschwachen Abgrund versinken, aus dem ich mich vor knapp einem Jahr mit so viel Mühe befreit hatte.
Zitternd ging ich zurück zur Pumpe, neben der ein Haufen frisches Futter lag. Fast panisch durchwühlte ich ihn, auf der Suche nach essbaren Nüssen und Samen.
4
S onnenuntergang. Ein heißer, erdiger Geruch hing in der Luft, als würde ein gewaltiger Laib aus Schlamm, mit Dschungelpflanzen umwunden, in einem ungeheuren Brennofen backen. Dieser Geruch ist jedoch in der Zeit des Feuers, wenn sich das Zwielicht herabsenkt, charakteristisch für Brutstätte Re.
Ich balancierte gefährlich auf zwei Wänden der Latrine, die ich im Lauf des Tages errichtet hatte, und nagelte einige Bretter quer darauf, um der Latrine mehr Standfestigkeit gegen die Monsun-Regen zu verleihen.
Als sich der Himmel rot färbte, kam ein schmal gebauter, etwas weibisch wirkender Diener in den Hof zurück. Ich hielt in meiner Arbeit inne und beobachtete, wie er sich vor den verbeulten Kessel kniete, der auf der primitiven Kochstelle vor der Hütte der Lehrlinge stand, nicht weit von dem Schlachttisch und einer Reihe von Ställen entfernt. In Letzteren hockten grunzende Renimgars. Der zart gebaute Diener legte seine hohlen Hände vor den Mund, blies in die Glut unter dem Kessel und facht das Feuer an. Mein leerer Magen verkrampfte sich allein bei dem Gedanken an Nahrung. Müde machte ich mich wieder an die Arbeit.
Eine Weile später stolperten die Novizen schweigend in den Hof.
Sie blieben in der Mitte, hielten sich von mir fern. Vor allem ein Novize schlurfte geduckt vorbei, als wäre ich eine Kwano-Schlange, die jeden Moment zuschnappen konnte. Ich hatte mich zuvor ohne Eierkopfs Wissen der Dienste dieses Jungen bemächtigt, als ich ein zweites Paar Hände brauchte, welche die schiefen Wände meiner Latrine hielten, während ich eine provisorische Stütze annagelte. Den jungen Novizen hatte ich mit gezischten Flüchen und Drohungen zwingen müssen, mir zu helfen. Seine Angst vor Eierkopf und die Wut, einer Frau zu gehorchen, noch dazu einer Ausgeburt, wurde nur von seiner Furcht vor dem Himmelswächter übertroffen.
Während die Novizen zu ihrer Hütte schlurften, kehrten die Diener und die Veteranen, die langjährigen Schüler, von ihren Arbeiten zurück, die sie irgendwo in der Stalldomäne verrichtet hatten. Ich spürte ihre Blicke, während ich arbeitete, und trieb die Nägel noch härter ins Holz, ignorierte das Zittern in meinen erschöpften Armen und Beinen, ebenso wie die verkrampften Muskeln. Während meine Hammerschläge nachdrücklich durch die Stallungen hallten, fühlte ich das Staunen der Jünglinge darüber, dass eine Frau über Geschick mit Werkzeug und Holz verfügte, selbst ein so klägliches, wie ich es besaß, wie ein Kribbeln auf meinem Rücken.
Die Reisigbündel unter dem großen Kessel glühten langsam auf, rot wie der Abendhimmel, und der fettige Geruch von Fleischeintopf stieg aus dem Gefäß empor. Der Jüngling, der als Koch eingeteilt war, rührte mit einer großen Holzkelle angestrengt in dem Brei und befahl einem Novizen, Wasser zu holen, einem anderen, mehr von dem Reisig heranzuschaffen, das unter dem Vordach der Hütte gestapelt war. Einen dritten wies er an, die eingesperrten Renimgars zu füttern.
Die Veteranen mit ihren vernarbten, muskulösen Körpern machten es sich auf dem Boden bequem, während die Diener nicht weit von ihnen hockten. Auch wenn ich ihn nicht ansah, wusste ich sehr genau, wo Dono saß; auch er hatte seinen schlanken, langgliedrigen Körper auf dem Boden ausgestreckt.
Trotz der
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