Im Bann des Feuers Drachen2
ich keine gewöhnliche Frau war!
Ich setzte mich in Bewegung; die rote, von der Sonne gebackene Erde fühlte sich unter meinen nackten Sohlen so warm an wie Blut.
Am selben Ende des Hofes, an dem sich die Latrinen und der Holzstapel befanden, führte auch ein Durchgang unter einem gewaltigen Sandsteinbogen zu einem weiteren Stallhof und dahinter zum nächsten. Eine Reihe von Schülern marschierte gerade unter diesem Bogen hindurch. Jeder von ihnen führte mit einem Maulstock, dessen Haken fest in einem der Nüstern des Drachen befestigt war, ein Tier neben sich, dessen Schwingen gefesselt waren. Sie brachten sie irgendwohin, wahrscheinlich zur Ausbildung.
Ich blieb einen Moment stehen, mitten auf dem Hof, und sah den Schülern und ihren geflügelten Mündeln nach, als sie durch den Torbogen verschwanden.
Wie groß waren die Stallungen von Roshu-Lupini? Ich konnte es nicht sagen, jetzt, da ich in der Mitte dieses Hofs stand, aber nach meinem fieberhaften Herumirren am Vortag wusste ich, dass eine ockerfarbene Sandsteinmauer die gesamten Stallungen umfasste, ganz gleich, wie groß sie sein mochten. Diese Mauer war zweimal so hoch, wie ich groß war, und in ihren oberen Rand waren scharfe Tonscherben eingelassen – eine notwendige Sicherheitsmaßnahme, um Rishi und Bayen gleichermaßen davon abzuhalten, die Drachen und den heiligen Re, den erlauchten Drachenbullen unserer Brutstätte, zu belästigen, sie um ihren Segen für ihr Glück, um Fruchtbarkeit und reichlich Nahrung zu bitten.
Drachen waren Gottheiten. Allein aufgrund ihrer intakten Schwingen und ihrer Giftdrüsen wurden die Drachen von Roshu-Lupini als besonders göttlich angesehen und von daher für fähig gehalten, die Gebete der Gläubigen zu erhören. Natürlich steckte in dieser Annahme keinerlei Logik, aber Aberglaube und Mythen besaßen unter den Rishi eine große Bedeutung.
Ich setzte meinen Weg über den Hof fort, in Richtung des Holzstoßes, der neben den Schüler-Latrinen aufgeschichtet war. Das Holz war frisch geschlagen und mit Hagi behandelt, einem Pech, das in Malacar benutzt wurde, um Holz vor der Witterung zu schützen. Als ich mich dem Stapel näherte, vermischte sich der Teer-und Essiggeruch des Hagi auf sehr angenehme Weise mit dem Duft des Giftes, der aus den Stallungen drang.
Die Bretter waren gerade, wiesen die bräunliche Farbe von Hartholz und kaum Astlöcher auf. Nie zuvor hatte ich mit so schönem Holz arbeiten können, denn das Holz, das wir im Konvent von Tieron benutzten, um unsere Mühle zu reparieren, war grob und verwittert, Ausschuss, den uns der Ranreeb, der als Oberster Tempelvorsteher der Dschungelkrone für das Heiligtum in Tieron zuständig war, huldvoll zukommen ließ.
Auf dem Holzstoß stand eine blaue Kiste, die mit dem groben Abbild eines Drachenkopfs verziert war. Ich hockte mich hin und öffnete den Deckel.
»Heho!«, murmelte ich erstaunt. »Was haben wir denn hier?«
Die unordentlich in der Kiste verstauten Werkzeuge waren ein Schatz. Ehrfürchtig berührte ich einen der scharfen Sägezähne und nahm einen Hammer in die Hand. Als Frau hätte ich eigentlich nur wenig über den Gebrauch dieser Werkzeuge wissen sollen. Aber mein Leben im Konvent von Tieron war sehr ungewöhnlich gewesen.
Ich stand da, sprach das übliche Gebet, die Bitte an den Drachen, dass der ausgesuchte Ort Gnade vor den Augen des Bullen fand, und sah mich nach einer Schaufel um, mit der ich die Grube für die Latrine ausheben konnte.
Einer der jungen Novizen, welche die Ställe ausmisteten, bemerkte mich und rief einem der Schüler etwas zu, einem stämmigen Burschen, der auf einem Karren mit frischem Drachenfutter stand. Der stämmige Jüngling kletterte herunter und ging auf mich zu. Ich erkannte ihn sofort: Es war Eierkopf, der Einfaltspinsel, den Dono dazu anzustacheln versucht hatte, mich zu besteigen.
Rasch zog ich Kratts Umhang enger um meinen Körper, der schief von meinem Hals herunterhing.
Eierkopf kam mit finsterer Miene auf mich zu. Ein Schatten flog über ihn hinweg, als er noch mehrere Schritte entfernt war. Er blieb unvermittelt stehen und sah zum Himmel hinauf. Ich folgte seinem Blick.
Ein Aasvogel glitt nicht allzu hoch über unseren Köpfen über den Himmel, sank herab und landete flügelschlagend auf der großen Sandsteinmauer, welche die Stallungen umgab. Eierkopf schüttelte sich erleichtert, getäuscht von der unauffälligen Erscheinung eines, wie er glaubte, einfachen Truthahngeiers, drehte sich zu mir um
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