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Im Bann des Feuers Drachen2

Im Bann des Feuers Drachen2

Titel: Im Bann des Feuers Drachen2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cross
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daran, wie ihr Körper bei jedem Aufprall eines Steines gezittert hatte. Sie erinnerte sich an das Toben der kochenden Menge, an das irrsinnige Gebrüll aus obszön aufgerissenen Mündern. Sie erinnerte sich an den schaumigen Speichel, der sich in den Mundwinkeln ihres Cousins bildete, als er seine Tante anbrüllte, wuterfüllt und beschämt über das, was sie ihm und sich selbst angetan hatte mit ihrem achtlosen Schritt, ihrem gedankenlosen Schrei, ihrer verbotenen Berührung.
     
    Seitdem hatten sich die Verhältnisse in Brutstätte Re ein wenig geändert.
    Obwohl eine Frau nach wie vor einen Bitoo tragen musste, wenn sie das Gelände ihres Clans verließ, konnte sie jetzt auch ohne Begleitung eines Mannes frei reisen. Es war zwar verboten, einen Drachenjünger anzusprechen oder gar zu berühren, aber sie durfte in der Öffentlichkeit mit anderen Frauen sprechen. Allerdings wurden sie zu solchen Unterhaltungen nicht gerade ermuntert. Sie wurden nur übersehen, von allen Männern, die zufällig in Hörweite waren, schlicht ignoriert.
    Während meiner Lehrzeit beim Drachenmeister hatte sich eine weitere Veränderung in Brut Re allmählich durchgesetzt. Frauen transportierten nicht mehr nur die Waren des Clans zu den Märkten; sie durften auch selbst mit den Waren handeln, wenngleich mittels demütiger Gesten und kurzer, unterwürfiger Dialoge. Es kam mittlerweile sogar eher selten vor, dass ein Mann hinter einer Matte mit Waren kniete; es wurde eher als unschicklich betrachtet, dass ein Mann sich mit einer solch niederen Arbeit abgab.
    Diese Veränderungen, die sich seit der Kindheit meiner Großmutter langsam vollzogen hatten, konnten der ständig wachsenden Uneinigkeit und dem Widerstand zugeschrieben werden, die dem Machtinstrument des Imperators in Malacar zu schaffen machte: dem Tempel. Dem Tempel des Drachen. In der Sprache des Imperators: Ranon ki Cinai.
    Der Drachentempel bedeutete nichts anderes als eine theokratische Diktatur, die unserer Nation Malacar von dem unumschränkten Alleinherrscher Imperator Wai Fa-sren vor fast zwei Jahrhunderten aufgezwungen wurde. Wie alle Bewohner des Archipels glaubte auch der Imperator an die Göttlichkeit der Drachen. Er war jedoch gleichzeitig ein pragmatischer Mensch, der nicht beabsichtigte, die Wirtschaft des Landes zu vernichten, das er unterworfen hatte. Also gestattete er per Dekret den Verzehr von unbefruchteten Dracheneiern, die in vom Tempel kontrollierten Brutstätten in Malacar gelegt wurden, wenngleich das Essen von Drachenfleisch nach wie vor verboten blieb. Er verfügte außerdem, dass Drachen weiterhin als Transportmittel und Lasttiere benutzt werden durften, freilich nur von jenen Menschen, die einer solch heiligen Ehre für würdig befunden wurden.
    Und würdig waren nur jene Menschen, die Vorfahren aus dem Archipel hatten, dem Tempel gegenüber vollkommen loyal und zudem wohlhabend genug waren.
    Einhundertsiebzig Jahre später regierte der vierte Nachfolger von Wai Fa-sren, Imperator Mak Fa-sren, Malacar noch immer von seinem Thron im Archipel aus, und auch er nutzte dafür den Tempel als Werkzeug.
    Gewaltige Gewölbe, die wie Bienenstöcke wirkten und ausnahmslos mit achteckigen Zellen ausgestattet waren, die vom Boden bis zum Dach reichten, enthielten die heiligen Schriftrollen, in denen alles stand, was es über Drachen zu wissen gab, und auch, wie Imperator Fas Untertanen in Bezug auf sie leben mussten.
    Der Tempel jedoch verfiel allmählich von innen heraus.
    Während die militärischen Anführer der vom Imperator in Malacar stationierten Truppen mit den Tempeloberen um die Macht rangen, murrte der ins Land gebrachte Adel, der als Aufseher über die vom Tempel kontrollierten Brutstätten fungierte, sprach von Selbstverwaltung. Wohlhabende Malacariten in der Stadt murrten lauter und häufiger, redeten von Autonomie, während die Rishi in den Brutstätten und die ärmere Stadtbevölkerung sich immer häufiger und offener gegen die Knute des Tempels auflehnten, sich der internen Korruption und des Zwists, der dem Tempel zusetzte, sehr wohl bewusst.
    Der tiefste Dorn im Fleisch des Imperators während meiner Lehrzeit jedoch war der zunehmende Widerstand der Weiler der Verlorenen, der Ausgestoßenen, der sich überall in Malacar verbreitete. Diese unabhängigen landwirtschaftlichen Kommunen, die nicht unter dem Schutz eines vom Tempel eingesetzten Kriegerfürsten oder Herrn eines Drachensitzes standen, waren ein unzumutbarer Skandal, eine kühne,

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