Im Bann des Maya-Kalenders
ein Geheimnis.
Apokalyptische Ängste bei der ersten Jahrtausendwende
Dionysius Exiguus sorgte zwar für eine einheitliche Zeitrechnung, doch es dauerte noch lang, bis sie sich durchsetzen konnte. Selbst um die erste Jahrtausendwende wussten viele Menschen nicht, in welchem Jahr sie lebten, sie kannten auch ihr eigenes Geburtsjahr nicht, wie Damian Thompson ausführlich darlegt. Deshalb waren die Bedingungen für jene Endzeit-Propheten denkbar schlecht, die ihre Vorhersagen auf sensible Daten legten und den mystischen Aspekt der Zeit benutzten, um die Gläubigen in den apokalyptischen Bann zu ziehen.
Trotzdem ist unbestritten, dass die Leute um die erste Jahrtausendwende von ausgeprägten Endzeitängsten gepeinigt wurden. Die damaligen existenziellen Nöte und politischen Krisen
scheinen jedoch einen größeren Einfluss gespielt zu haben als die Angst vor dem Jahrtausendwechsel. Armut und Katastrophen beflügelten damals viele Apokalyptiker, das Ende der Zeit zu prophezeien, ohne speziell auf das Jahr 1000 zu schielen. Offenbar steuerte die Kirche bewusst dagegen, um die Furcht vor apokalyptischen Szenarien nicht zu nähren. Es gibt jedenfalls keine Quellen aus jener Zeit, die eine Verknüpfung von Endzeitphänomenen mit der Jahrtausendwende belegen.
Trotzdem hält sich der Mythos vom apokalyptisch bedingten Schreckensjahr 1000 hartnäckig. Einer der Gründe liegt darin, dass verschiedene Geschichtsschreiber Jahrhunderte später die Vorstellung von den grassierenden Endzeitängsten um 1000 n. Chr. in den grellsten Farben ausmalten. Fresken und Statuen aus dem Mittelalter zeigen häufig apokalyptische Szenen. Dabei interpretierten viele die politischen und religiösen Ereignisse als apokalyptische Phänomene. Allerdings muss man den Chronisten im 17., 18. und 19. Jahrhundert zugutehalten, dass sie berechtigte Gründe für ihre geschichtlichen Schlussfolgerungen hatten. Denn im Mittelalter spielten Prophezeiungen und Endzeitvisionen eine wichtige Rolle. Sie halfen den Leuten, Ängste und Nöte zu erklären und besser zu ertragen.
Apokalyptiker und Propheten traten aber nicht erst bei der ersten Jahrtausendwende auf, sondern versuchten schon früher, den Untergang zu terminieren. Die selbsternannten Heilsverkünder nutzten die Endzeitverzögerung schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten, um die Gläubigen in den Bann zu ziehen. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts verkündete beispielsweise Montanus, der umstrittene Führer der Montanisten, die Endzeit. Er sah sich selber als der von Christus verheißene Messias, der das Christentum auf seine Vollendung vorbereiten sollte. Nach Vorstellung des Montanismus sollten die irdischen Banden gelöst werden, um nicht an die gegenwärtige Welt gekettet zu sein. Montanus forderte strenge Askese, strikte Bußdisziplin und lehnte weltliche Bildung ab. Die Montanisten, auch Phrygier
genannt, fanden Anhänger in Kleinasien, Gallien, Italien und Nordafrika.
Joachim von Fiore prophezeite 1190 das »Dritte Reich« für das Jahr 1260. Er prägte damit einen Begriff, der später ebenfalls in apokalyptischem Sinn Geschichte machen sollte. Im 15. Jahrhundert ängstigten u. a. die Taboriten die Gläubigen mit Endzeitvisionen und im 16. Jahrhundert betätigten sich die chiliastischen Täufer als apokalyptische Propheten.
Weltlicher Nutzen der Apokalypse
Die Kirche hat meist gegen Endzeithysterien gekämpft. Dafür entdeckten weltliche Mächte zunehmend die Idee von den bösen, satanischen Kräften auf der Erde, um sie für ihre politischen und ideologischen Ziele zu nutzen. Beispiele dafür sind die Kreuzzüge und die Religionskriege im 16. und 17. Jahrhundert.
Die Dämonisierung des Feindes mit apokalyptischen Argumenten verfehlte ihre Wirkung nicht. Die Legitimierung von Kriegen mit endzeitlichen Ideen verlieh den allzu weltlichen Bedürfnissen der Mächtigen einen heilsgeschichtlichen Anspruch. Die politische Instrumentalisierung religiöser Vorstellungen wurde von Königen, Kaisern und Generälen benutzt, um den Hass auf den Gegner zu schüren und die Kampfbereitschaft zu erhöhen. Diese Form der »taktischen Kriegsführung« hat sich bis in die Neuzeit bewährt, wie das Dritte Reich gezeigt hat.
Damian Thompson liefert ein eindrückliches Beispiel für dieses Phänomen. So lagen sich Kaiser Friedrich II. (1194–1250) und die Päpste jener Zeit in den Haaren und benutzten hemmungslos ein apokalyptisches Vokabular, um sich gegenseitig zu beschimpfen und zu demütigen. Papst
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