Im Bann des Maya-Kalenders
Schliche. Außerdem sah er den verschwenderischen Lebensstil, den Di Mambro mit den Spenden und Darlehen der Sonnentempler pflegte. Das Ehepaar Dutoit wurde skeptisch und ging innerlich etwas auf Distanz zu Di Mambro, es war aber finanziell von ihm abhängig. Dem Sektenchef blieb nicht verborgen, dass das Ehepaar ihn nicht mehr uneingeschränkt als den unfehlbaren Guru verehrte. Als sich die Dutoits noch erdreisteten, ihrem Sohn den gleichen – wenn auch männlichen – Namen zu geben, den sein »kosmisches Kind« trug, zogen sie definitiv den heiligen Zorn von Di Mambro auf sich.
Der Sektenführer zitierte das Ehepaar im Sommer 1994 in die Schweiz, doch es ignorierte den »Marschbefehl«. Nun tobte Di Mambro und verkündete seinen Anhängern bei einem Ritual in der Schweiz, der kleine Emmanuel Dutoit sei der Antichrist.
Seine destruktive Ausstrahlung gefährde die spirituelle Entwicklung des Ordens. Der Kultchef betraute den 35-jährigen Schweizer Joel Egger und die in Kanada lebende 36-jährige Dominique Bellaton mit einer geheimen Mission.
Egger flog am 29. September 1994 von Zürich nach Montreal. Tags darauf trafen sich Egger, Bellaton und die Familie Dutoit im Sektenzentrum von Morin Heights. Bellaton führte Nicky Dutoit und ihr Kleinkind in den ersten Stock. Sofort griff Egger den Vater mit einem Küchenmesser an und ermordete ihn mit 50 Stichen. Die Messerstiche sollten die 50 Sektenanhänger symbolisieren, die in den apokalyptischen Strudel gerissen werden sollten. Mit acht Stichen, welche die acht Gesetze der Sonnentempler versinnbildlichten, brachte Bellaton die Mutter um. Außerdem schlitzte sie ihr die Brüste auf, weil damit der Antichrist gesäugt worden war. Anschließend nahm sich Bellaton den dreimonatigen Emmanuel vor. Sechsmal stach sie zu und durchbohrte sein Herz mehrfach. Die Gerichtsmediziner erklärten, die Mörderin habe den Babykörper schrecklich zugerichtet.
Nach der Ermordung der Familie Dutoit traten zwei weitere in Kanada lebende Schweizer Kultmitglieder in Aktion. Sie verstauten die Leichen des Ehepaares in einem Schrank und wickelten den Kindskörper in eine Plastikfolie. Danach beseitigten sie alle Spuren des rituellen Mordes und bereiteten sich nach dem präzisen Plan von Di Mambro auf den eigenen »Transit zum Planet Sirius« vor.
Egger und Bellaton fuhren mit dem Auto der Dutoits auf den Flughafen Mirabel und flogen in die Schweiz zurück. In der Nacht auf den 4. Oktober nahmen die beiden Helfer, die die Mordspuren beseitigt hatten, die Droge Benzodiazepin ein und setzten mit einem Zeitzünder das kanadische Sektenhaus in Brand. Beide kamen dabei um.
In der Nacht auf den 5. Oktober, wenige Stunden nach der Feuersbrunst in Morin Heigths, wurde im kleinen Freiburger Dorf Cheiry in der Schweiz Feueralarm ausgelöst. Der außerhalb
des Ortes gelegene Hof Les Rochettes stand in Flammen. Die Feuerwehr musste die Türen aufbrechen. Der Besitzer Alberto Giacobino lag in seinem Schlafzimmer, getötet von einer Pistolenkugel. In der Garage stießen die Feuerwehrleute auf einen Versammlungsraum und standen vor einer großen Blutlache. Nach einiger Zeit entdeckten sie eine Geheimtür, die zu einem unterirdischen Kultraum führte. In dem luxuriös drappierten Sanktuarium fanden die Feuerwehrleute weitere 22 leblose Körper, 18 von ihnen kreisförmig ausgerichtet, als symbolisierten sie Sonnenstrahlen. Die Frauen und Männer waren in goldene und weiße Kultgewänder gehüllt, mehrere Leichen an den Händen zusammengebunden.
Die zehn Männer, zwölf Frauen und ein 12-jähriger Junge stammten aus der Schweiz (9), aus Frankreich (8), Kanada (4), Belgien (1) und Spanien (1). Bis auf zwei Opfer hatten alle Plastiksäcke über den Kopf gestülpt. Von 23 herumliegenden kleinen Aludosen waren 21 leer, zwei enthielten ein Beruhigungsmittel. Kampfspuren konnten die Ermittler nicht ausmachen. Die starken Medikamente hatten die Sonnentempler nach etwa 20 Minuten in einen Tiefschlaf versetzt. Anschließend exekutierten die Mörder die Kultmitglieder mit zwei Feuerserien. Zwischen den beiden Salven zogen die Täter den Opfern Plastiksäcke über den Kopf. Die Polizei fand über 60 Patronen. Am Schluss des mörderischen Rituals ordneten die Täter die Leichen kreisförmig an.
Im Laufe der monatelangen Ermittlungen versuchte die Polizei, das Massaker zu rekonstruieren. Die Beamten gelangten zur Überzeugung, dass Luc Jouret, die Nummer zwei des Ordens, Joel Egger, der Mann fürs Grobe, und mindestens
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