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Im Bann des Maya-Kalenders

Im Bann des Maya-Kalenders

Titel: Im Bann des Maya-Kalenders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Stamm
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Er trat oft als Ritualmeister, Eingeweihter und Heiler auf. Es gelang ihm immer wieder, reiche Leute anzulocken, die er mit alternativen Heilmethoden zu kurieren versprach. Zur Therapie gehörten auch spirituelle Rituale. Der Orden bot dazu ein ideales Umfeld.
    Interessierte Zuhörer lud er zu Veranstaltungen und Ritualen ein, die von Nebenorganisationen des Ordens, zum Beispiel dem Archedia-Club, organisiert wurden. Clubmitglieder, die sich als ergeben und im mystischen Sinne würdig erwiesen, wurden schrittweise in den Orden eingeführt. Mit diesem Auswahlverfahren sorgte der Kultleader Jo Di Mambro dafür, dass nur eingeschworene Neutempler in den »heiligen« inneren Bezirk des Ordens gelangten. Geheimhaltung war oberstes Gebot. Tatsächlich war der Kult in der Öffentlichkeit praktisch unbekannt. Selbst Sektenexperten und Angehörige hatten nur rudimentäre Informationen vom Geheimorden.
    Die in der Schweiz, in Frankreich, Belgien, Kanada und Australien aktiven Sonnentempler glaubten an eine unumstößliche kosmische Wahrheit, die es über mystische Erkenntnisse und Rituale zu ergründen gelte. Die Kultanhänger waren überzeugt, dass nur erleuchtete Meister oder Kultführer ihnen das höhere geistige Wissen vermitteln konnten. Gleichzeitig wurde ihnen suggeriert, die Kultgruppe erzeuge durch die Rituale spirituelle
Schwingungen und ein besonderes astrales Kraftfeld, das die mystischen Prozesse begünstige.
    Die Heilslehre der Sonnentempler zeichnet sich durch eine abenteuerliche Anhäufung unzähliger okkulter und mystischer Ideen aus dem riesigen Fundus von New Age, Esoterik, Theosophie, fernöstlicher Mystik und alternativer Heilmethoden aus. Di Mambro baute sein Konzept laufend aus. Neuerungen verkaufte er seinen Jüngern als aktuelle Botschaften spiritueller Großmeister, die angeblich als Vermittler der kosmischen Weisheit wirkten. Außerdem war seine Heilstheorie geprägt von apokalyptischen Visionen. Di Mambro predigte den Sonnentemplern ursprünglich, sie würden die Endzeit in irdischer Gestalt erleben, das apokalyptische Ereignis aber dank ihres spirituellen Bewusstseins überstehen. Der Kultführer versprach seinen Ordensleuten ein mystisches Paradies.
    Interne Papiere zeigten, dass Di Mambro seine Endzeitvisionen in den 90er-Jahren radikal änderte. Verfolgungsängste, die in Kultgruppen oft zu beobachten sind, prägten zunehmend das Bewusstsein des Ordensgründers. So schrieb Di Mambro: »Obwohl die verborgene Hierarchie einen friedlicheren Übergang in den zukünftigen erhabenen Zustand für die Menschenwesen und die Erde geplant hatte, haben das Wirken dunkler Mächte und die Verfolgung durch Abtrünnige, denen einige Regierungen halfen, die Hierarchie gezwungen, ihre Pläne zu ändern. Die Eingeweihten, die entwickelt genug sind, den Plan zu verstehen, werden nun freiwillig diese Erde verlassen und die absolute Dimension der Wahrheit erreichen, wo sie ihre Arbeit fortsetzen werden, glorreich und unsichtbar. Die Mitglieder des Tempels, die nicht entwickelt genug sind, werden Hilfe erhalten, an diesem christlichen Feuer teilzuhaben und die Wohltaten der Translation zu erfahren, obwohl es ihnen nicht bewusst werden wird. Im Grunde hilft man ihnen, dem Schicksal der Zerstörung zu entgehen, das nun die ganze verderbte Welt innerhalb Monaten, wenn nicht Wochen, erwartet.« Sätze, die auf schreckliche Weise wahr werden sollten.

    Ermordung des »Antichrist«
    Das Fanal begann in Kanada. Auslöser des ersten Dramas war eine Lappalie, nämlich der Name eines Neugeborenen. Das schweizerisch-britische Ehepaar Nicky und Antonio Dutoit-Robinson, das außerhalb von Montreal lebte, taufte im Juli 1994 seinen Sohn auf den Namen Christopher Emmanuel. Das Ehepaar kümmerte sich um die beiden Häuser von Jo Di Mambro und Luc Jouret. Nicky war früher das Kindermädchen von Emmanuelle Di Mambro, der Tochter des damals 69-jährigen Sektengründers. Das Mädchen galt als »kosmisches Kind«. Es sei auf mystische Weise gezeugt worden, erklärte Di Mambro den Kultmitgliedern. Außer Nicky durften sich Außenstehende höchstens bis auf zehn Meter dem Mädchen nähern, um die Aura und die Energiefelder von Emmanuelle nicht zu stören.
    Di Mambro benutzte okkulte Rituale, um seine Anhänger in den Bann zu ziehen. Mit Tricks und Lichteffekten zauberte er den Sonnentemplern eine spirituelle Superwelt in die mit rotem Samt und riesigen Spiegeln ausgelegten Sanktuarien, den Kulträumen. Doch Antonio Dutoit kam ihm auf die

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