Im Bann des Mondes
hatte, würde er nicht mehr zum Äußersten gehen, aber er lieferte eine sehr überzeugende Vorstellung ab. »Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so beunruhigt, Mr Stone«, meinte sie. »Schließlich scheinen Sie Ihre Hände ja gar nicht zu brauchen, um sich in Schwierigkeiten zu bringen.«
Northrup trat einen Schritt näher und gab ein furchterregendes Knurren von sich, bei dem Daisy beinahe angefangen hätte zu lachen.
»Aber, meine Liebe, ich bitte untertänigst um Verzeihung.« Northrup packte seinen herumfuchtelnden Arm, und Lucien schrie auf. »Ich habe mich respektlos und falsch verhalten. Jetzt rufen Sie Ihren Hund zurück!«
»Wir sollten ihn wohl doch in Ruhe lassen«, meinte Daisy seufzend. »Schließlich verabscheue ich Gewalt.«
Northrup lachte leise und ließ ihn los.
»Das ist sehr nett von Ihnen«, brummte Lucien an Daisy gerichtet. »Ich stehe in Ihrer Schuld.«
Die Tür ging auf, und eine Frau kam herein, von der Daisy annahm, dass es sich um Mary Chase handeln musste.
Ich weiß ein Fräulein hübsch und fein
. An etwas anderes konnte Daisy nicht denken, als die junge Frau auf sie zukam. Goldbraunes, wie Zuckerwatte schimmerndes Haar umrahmte ein herzförmiges Gesicht, in dem blasse karamellfarbene Augen hell und intelligent funkelten.
Der Blick dieser Augen glitt über sie hinweg, musterte sie und ging dann weiter, als sähe sie Daisy als eine ziemlich langweilige Zugabe ihres Tages an. Doch Lucien bemerkte, wie Daisy die Frau mit offenem Mund anstarrte.
»Es sind die Augen, die Sie gefangen nehmen.« Er strich seinen leicht zerknitterten Gehrock mit zitternder Hand glatt und zwang sich zu einem breiten Lächeln. »Und das ist ja auch ihr Sinn und Zweck. Kristallaugen, die einen in ihren Bann ziehen und einen dazu verlocken sollen, uns alle Geheimnisse zu verraten.«
Daisy schloss den Mund. »Sie wählen Ihre Körper gut aus.«
Mary Chase’ rosige Lippen zuckten, doch sie sagte nichts, als sie sich auf die Armlehne von Luciens Stuhl hockte.
»Marys« – Lucien strich mit einem Knöchel über den Arm der Frau – »herrlicher Körper gehört ihr selbst; denn sie hatte die Möglichkeit zu wählen, kurz vor ihrem ersten Tod.«
Mary Chase nahm die Berührung des Mannes hin, ohne ihn zu ermutigen oder zurückzuweisen. Der Blick ihrer seltsamen Augen ruhte einen Moment länger als gebührlich auf Northrup, ehe sie wieder Lucien ansah. »Was wollen Sie von mir, Sir?« Ihre Stimme war wie warmer Karamell, und ganz tief im Innern sträubte sich bei Daisy alles vor weiblicher Eifersucht.
»Northrup will, dass wir The Ranulf beschatten.« Lucien reichte ihr die Anstecknadel. »Bist du der Aufgabe gewachsen,
ma petite?
«
Ihre karamellfarbenen Augen sahen Northrup an. »Eine gefährliche Sache, einen Lykaner zu verfolgen.«
Ein gequältes Lächeln verzog Northrups Lippen, als er sich wieder hinsetzte. »Sehr gefährlich. Es könnte sein, dass Sie es nicht überleben.«
Lucien lachte wieder. »Du hilfst uns bei den Verhandlungen, was, Ian?«
»Ich treibe sie eher voran«, erwiderte Northrup. »Wir wissen alle, um was ich hier bitte.«
Daisy beugte sich vor. »Ach ja? Tun
wir
das?« Es gefiel ihr überhaupt nicht, dass sie die Einzige zu sein schien, die von nichts eine Ahnung hatte.
»Lykaner können Geister sehen«, erklärte Northrup geduldig. »Deshalb ist es für einen GIM eine schwierige Angelegenheit, einen Lykaner zu beschatten.« Nun, zumindest verstand Daisy jetzt, wie Northrup hatte wissen können, dass Lucien etwas im Schilde führte.
»Das ist eine Untertreibung«, mischte Lucien sich ein. »Ich setze das Wohlergehen meiner schlauesten Gehilfin nicht leichtfertig aufs Spiel.« Luciens Hand glitt von Marys Arm zu deren schmaler Taille, die in goldene Seide gehüllt war. Daisy musste das Kleid einfach bewundern oder vielleicht eher die Frau, weil sie es ausgewählt hatte. Die wusste, wie man sich richtig anzog.
»Dann fragt man sich doch unwillkürlich, warum Sie sich nicht selbst für die Aufgabe zur Verfügung stellen«, meinte Daisy.
Bei diesen Worten richtete sich Mary Chase’ goldener Blick auf Daisy. Ein leises Lächeln funkelte in diesen seltsamen Augen. »Weil er die Beste für diese Aufgabe braucht«, sagte sie. »Und das bin nun mal ich.«
Was für ein bescheidenes Gemüt die Dame doch hatte.
»Was soll ich für Sie in Erfahrung bringen?«, fragte Mary Northrup.
Daisy versuchte, den Blick von Luciens wandernder Hand abzuwenden, doch es gelang ihr nicht und sie
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