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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
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kalt und schweißnass. Daisy rannte los. Vor ihr tauchte das Westtor des Friedhofs von Highgate auf. Fast hätte Daisy die Laterne fallen gelassen, deshalb packte sie diese jetzt fester. Einsam und verlassen und im Dunkel der Nacht kaum zu erkennen, hätte das Tor auch der Eingang zur Hölle sein können. Doch sie würde hindurchgehen.
    Ian stürzte durchs Gebüsch in den Wald. Blätter und Zweige schlugen ihm ins Gesicht und behinderten seine Sicht. Er nahm den Geruch des Werwolfs und seiner Krankheit durchdringend wahr. Kaum hatte Ian das Gehölz hinter sich gebracht, sah er die Bestie, die mit gekrümmtem Rücken und im Mondlicht gesprenkeltem Fell vor ihm lief. Die Wut trieb Ian schneller voran und brachte sein Blut zum Kochen. Sein Wolf warf sich von einer auf die andere Seite, denn er wollte raus.
Er gehört mir! Mein Revier. Meine Beute
.
    Zum Teufel noch mal! Das Scheusal war schnell. Es war schon fast außer Sichtweite, während es auf vier Beinen behände über umgestürzte Bäume und große Büsche setzte. Ein dicker Stamm versperrte den Weg, den der Werwolf nahm, und das Biest ließ ihn einfach mit einem Prankenhieb bersten.
    Eigentlich hätte Ian die Beine in die Hand nehmen und in die entgegengesetzte Richtung davonlaufen sollen; denn Lykaner gegen Werwolf war Selbstmord. Sein Verstand brüllte ihm zu, stehen zu bleiben und wie jeder vernünftige Mensch Hilfe zu holen. Doch sein Instinkt ließ Ian rotsehen, wenn er daran dachte, was der Werwolf den armen Frauen angetan hatte.
    Das Scheusal stieß ein langes, wildes Heulen aus, um dann auf der Stelle kehrtzumachen und noch schneller zu werden. Es schlug einen großen Bogen … um zu Daisy zu gelangen. Ian knurrte. Er würde ihm die Kehle zerfetzen. Seine Stiefel stürmten über den harten Boden, all seine Sinne waren aufs Höchste angespannt, wie schon seit Jahren nicht mehr. Das war eine richtige Jagd, kein banaler Lauf durch den Wald. Jagen, hetzen … das war es, was sein Wolf wollte, wonach er sich sehnte. Sein Körper schwoll an, sein Wolf drängte nach vorn und verlieh ihm ungeahnte Kräfte. Es war erregend, aber gleichzeitig eine Mahnung.
Behalt die Kontrolle. Verlier sie nicht. Erledige den Werwolf. Rette die Frauen.
    Eiswasser schien durch seine Adern zu strömen, denn er befürchtete, dass es ihm nicht gelingen würde.

15
    Die Laterne in Daisys Hand verbreitete nur einen blassen gelben Schimmer, der ihr nicht den Weg beleuchtete, sondern eher ihre Verletzlichkeit betonte. Am liebsten hätte sie sie weggeworfen, fürchtete aber, damit die einzige Verbindung zur Zivilisation zu verlieren. Die Luft war eiskalt und feucht, als wäre sie ein Hauch, der von unten kam. Die Bäume neigten sich trunken, und die knorrigen Äste hingen voller Efeuranken, die sich im leichten Wind wie Finger streckten. Unter dem wuchernden Farn und anderem Gestrüpp waren die gemeißelten Cherubime und Engel, die auf den Grabsteinen saßen, kaum mehr zu erkennen. Kleine weiße Gesichter, die sie vorbeieilen sahen.
    Irgendjemand war hier. Das merkte sie so deutlich, als hätte sich eine Hand um Daisys Nacken gelegt. Sie durfte nicht ins Straucheln geraten. Auch jetzt hörte sie, wie das Heulen und Knurren immer lauter wurde. Sie hatte Seitenstiche, und ihre Schenkel waren von einem brennenden Kribbeln überzogen, als sie in den sich vor ihr auftuenden, gewundenen Pfad hineinlief. Sie konnte förmlich spüren, wie dieses Wesen auf sie zukam, als wüsste es genau, wo sie war. Sie geriet ins Taumeln.
    Gütiger Himmel.
Es lag an ihrem Geruch. Dieser verdammte Geruch führte den Wolf direkt zu ihr. Daisy blickte sich gehetzt um. Ihre Gedanken rasten.
    Sie ließ die Laterne fallen, ihre Finger senkten sich in den weichen, lehmigen Boden. Die Erde konnte sie ganz leicht auf Wangen und Arme schmieren. Den leicht modrigen Duft empfand sie als seltsam angenehm und wusste nicht warum.
Bitte, lass es genug sein
.
    Northrup. Finde mich. Sei in Sicherheit.
    Ein lautes Krachen zerriss die Stille. Etwas brach durch das Westtor. Vor Angst verkrampfte sich Daisys Herz. Die Bestie konnte sie immer noch riechen. Daisy schlug sich mit der Hand auf den Schenkel und spürte etwas Hartes in der Tasche zwischen den Falten ihres Rocks.
    Sie löschte das Licht der Laterne und schleuderte sie gleich darauf gegen einen Baum. Der beißende Gestank von Lampenöl brannte in ihrer Nase. Würde das genügen, die feineren Sinne des Wolfs so stark zu reizen, dass er sie nicht mehr roch? Ihre Hand zitterte,

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