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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
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als sie das Fläschchen mit dem Verbenaöl aus der Tasche zerrte und den Korken herausriss. Als sie den Inhalt ausgoss, überdeckte der durchdringende Geruch alles andere. Dann warf sie das Fläschchen im hohen Bogen in die Büsche. Sie würde den Verlust bedauern, wenn sie das hier überlebte.
    Daisy wollte sich schon in Bewegung setzen, blieb dann aber stehen. Die Blätter um sie herum hatten geraschelt, ein leises Seufzen, das … zu ihr sprach. Sie erstarrte. Trotz ihres laut pochenden Herzens hörte sie es wieder.
    Komm zu uns. Wir beschützen dich.
    Ihr Blick huschte von hier nach da und sah nur bröckelnde Grabsteine und üppiges Grün. Da war niemand. Sie wollte ihre Füße zwingen weiterzugehen. Sie musste weitergehen! Doch stattdessen merkte sie, wie sie zu Boden sank.
Halt! Steh auf!
Sie biss die Zähne zusammen und versuchte hochzukommen. Aber ihre Hände versanken einfach im lehmigen Boden. Widerlich. Aber dann auch wieder …
    Kraft strömte durch ihren Körper, sodass ihre Nippel sich zusammenzogen und ihr Atem schneller ging. Ein Raunen war in ihren Ohren … nicht von Menschenmund, sondern ein Chor, als hätten die Pflanzen eine Stimme.
    Ja. Höre. Schau.
    Vor ihren Augen begannen sich dicke Ranken, Farne und ganze Büschel von Geißblatt zu erheben und den Weg zu bedecken. Ihr stockte der Atem. Ein berauschender Duft breitete sich aus. Der Wald war dabei, sie zu verschlingen! Gütiger Himmel, es war wie eine Heimsuchung. Vor ihren Augen begann alles zu verschwimmen, doch als sie versuchte, vom Boden hochzukommen, gab er sie nicht frei. Erst als eine Art Mauer um sie herum gewachsen war, konnte sie die Hände plötzlich wieder lösen, und der Schwung ließ sie auf dem Hintern landen.
    Verwirrt betrachtete sie das üppige Grün. Hier spukte es. Das war eindeutig. Wieder ertönte ein Heulen. Das Fiepen, das folgte, brachte sie in Bewegung. Sie sprang auf, raffte die Röcke und lief los.
    Als sie eine Treppe hinunterrannte und mit einem Hechtsprung durch ein Tor rannte, welches von zwei ägyptischen Säulen flankiert wurde, hatte sie das Gefühl, ihre Lunge würde platzen. Zu beiden Seiten bildeten hohe Mauern einen geschwungenen Weg mit Grabstätten, in denen die Reichen die letzte Ruhe gefunden hatten. Hinter sich hörte sie Kampfgeräusche, Knurren, das Zuschnappen von Zähnen und den Schmerzensschrei eines Mannes. Northrup? Daisy hätte fast kehrtgemacht. Schluchzend lief sie weiter, bis sie eine Tür ohne Schloss erspähte.
    Kaltes Holz schürfte ihr die Schulter auf, als sie sich gegen die Tür warf, die mit einem Stöhnen aufschwang. Dahinter war absolute Dunkelheit. Der Geruch nach Staub, Knochen und Verwesung überwältigte sie. Sie stürzte sich ins Dunkel und krachte mit einer solchen Wucht auf den Boden, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. Der Boden unter ihren Händen fühlte sich rau und uneben an. Etwas Spitzes bohrte sich in ihren Schenkel. Daisy versuchte, nicht an Knochen zu denken oder an Friedhöfe, auf denen es spukte und Bäume unnatürlich schnell wuchsen. Später. Später würde sie sich der Angst hingeben. Mit den Stiefeln drückte sie fest gegen die Tür, als würde sie sich so nicht mehr öffnen lassen. Was für ein Irrglauben.
    ***
    Daisys Duft war eine in der Luft wahrnehmbare Spur. Ein Faden, der wie ein flatternder Schal aus Seide zum Highgate Friedhof führte. Ian hoffte inständig, dass sie sich nach wie vor in der relativen Sicherheit von Holly Lodge befand, doch er wusste, dass ihn seine Nase nicht trog. Sie war draußen, in der freien Natur. Schutzlos.
    Der Werwolf warf sich mit unbeholfenen Bewegungen gegen das hohe Eisentor, weil er so erpicht darauf war, möglichst schnell zu seiner Beute zu gelangen. Ian warf sich auf die Bestie. In einem Wirbel aus Zähnen und Klauen stürzten sie in den Friedhof.
    Wut. Schmerz. Ian spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt. Krallen traten hervor. Sein Kiefer ruckte und knackte, während er wuchs. Rot. Er sah es. Spürte es, als er den pelzigen Leib unter sich aufschlitzte. Die Bestie zog die Hinterbeine an, und im nächsten Augenblick wurde Ian nach hinten geschleudert. Der Stamm eines Baumes brach unter der Wucht des Aufpralls, ehe er zu Boden krachte und Erde aufwirbelte.
    Blut strömte aus seiner gebrochenen Nase. Er konnte nichts mehr riechen, sondern hatte nur noch den beißenden Geschmack seines eigenen Blutes auf der Zunge. Wie von Sinnen sprang er auf und packte den Werwolf am Schwanz, ehe dieser fliehen konnte.

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