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Im Bann des Mondes

Im Bann des Mondes

Titel: Im Bann des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Callihan
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den Boden mit weißen und silbernen Flecken.
    Wieder verspürte sie dieses Kribbeln, als sie vorsichtig einen Blick nach draußen warf. Leichtes Schwindelgefühl drohte sie zu erfassen, und sie merkte, dass sie den Atem angehalten hatte. Daisy sog die so dringend benötigte Luft tief ein. Alles war ruhig.
    Kurz hinter dem Bogengang zu den Grabstellen nahm sie eine Gestalt wahr, die im geisterhaften Schein des Vollmondes auf allen vieren auf dem Boden hockte. Die breiten Schultern zitterten, als hätte die kalte Hand des Todes das Wesen gestreift. Sein Brustkorb hob und senkte sich in schneller Folge. Hemd und Hose waren zerfetzt und voller Flecken, bei denen sie befürchtete, dass sie von Blut herrührten. Daisy näherte sich ihm vorsichtig, denn irgendwas an ihm ließ ihr die Haare zu Berge stehen.
    »Northrup?«, wisperte sie.
    Er antwortete nicht, sondern atmete unnatürlich schnell weiter. Als ihre Röcke die Spitzen seiner Stiefel streiften, gab er einen Laut von sich, so Furcht einflößend wie ein Knurren. Er fuhr zu ihr herum, und ihr lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Die Iris beider Augen strahlte in einem unheimlichen Blau und war so groß, dass sie kein Weiß mehr sehen konnte. Der Anblick hatte etwas Animalisches, instinktiv wollte sie die Flucht ergreifen.
    Er fletschte die Zähne. »Verschwinde.«
    An seiner Oberlippe klebte getrocknetes Blut, als hätte seine Nase geblutet. Scharlachrote Rinnsale liefen aus seinen Mundwinkeln. Mit vor Entsetzen stockendem Atem erkannte sie, dass er sich auf die Lippe biss.
    »Gütiger Himmel, Northrup …«
    »Sofort!« Sein Brüllen hallte von den Mauern wider, und sie zuckte zusammen.
    Er war verletzt. Sie konnte nicht einfach gehen. »Lass mich …«
    Im Nu war er bei ihr, riss sie zu Boden und drückte sie mit seinem festen Körper auf die kalte Erde. Sie schrie auf, doch er erstickte den Laut mit seinem Mund. Daisy schmeckte sein Blut, heiß und metallisch, spürte die Feuchtigkeit auf ihren Lippen. Es war Northrup und dann doch wieder nicht. Sie war seltsam hin- und hergerissen zwischen Begehren und Abscheu.
    Seine Bewegungen waren grob, unkoordiniert und hemmungslos. Er knurrte wieder und drängte sich unbeholfen an sie. Sie spürte Hände, die sie packten. Angst und Beschämung überwältigten sie fast. Sie wurde festgehalten. Mit Gewalt. Gedemütigt. Er hielt sie fest. Fest. Einmal. Zweimal. Die Schläge hallten laut, und sein Kopf wurde durch ihre Wucht zur Seite geschleudert. Ihre Hand tat weh.
    Mit einem Aufschrei rollte er weg, und sie wich rückwärts krabbelnd vor ihm zurück, wobei sich ihre Füße in den Röcken verfingen, als sie versuchte, mit ihnen Halt zu finden.
    Northrup lag schlaff am Boden, seine Schultern zitterten leicht. Daisy konnte ihn nur anstarren. Ihre Lippen pochten. Die Erinnerung an seine Berührung ließ nicht nach, sondern brannte weiter, sodass sie es bis in ihren Bauch spürte.
    Langsam hob er den Kopf. Seine Augen waren wieder vollkommen menschlich, doch es lag unendliche Trostlosigkeit in ihnen. Sein Blick fiel auf ihren Mund, und er kniff die Augen zusammen. »Oh Gott, Daisy. Ich wollte nicht …« Schwer atmend verstummte er.
    Daisy wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und zuckte zusammen, als sie das Blut sah. Nicht ihres, sondern seins. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Er hatte sie gewarnt. Sie hatte nicht auf ihn gehört. Er war nicht Craigmore. Nicht dieser Schlag von Schlechtigkeit. Das wusste sie. Trotzdem schlug ihr das Herz immer noch bis zum Hals.
    »Habe ich dir wehgetan?« Eine nüchterne Frage, die von den Grabmälern widerhallte.
    »Nein.« Sie zog die Beine fest an die Brust. »Nein, mir geht’s gut.«
    »Also doch.« Es war deutlich zu erkennen, wie mühsam er schluckte. »Ich habe dir wehgetan.«
    Sie konnte ihn nicht ansehen. »Lass es dabei bewenden, Northrup.« Ihre Stimme war brüchig. »Bitte.«
    Er nickte kurz und kam dann so langsam wie ein alter Mann hoch. Seine Hand zitterte nur leicht, als er sie ihr hinhielt und schweigend um Erlaubnis bat, ihr beim Aufstehen behilflich zu sein.
    Daisy starrte seine breite Hand mit den langen Fingern an. Es waren keine Klauen mehr zu sehen. Sie wusste, dass diese Hand warm und stark war. Nicht Craigmores Hand.
    Trotzdem schüttelte sie den Kopf. »Nein.«
    Als er die Stirn runzelte, zwang sie sich weiterzureden. »Ich …« Wieder schüttelte sie den Kopf.
    Northrups Miene wurde völlig ausdruckslos, und seine Finger ballten sich zur

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