Im Bann des Nebels, 2, Der ewige Bund (German Edition)
riesig, fremd und überwältigend schön aus, ein Wesen aus reiner Magie, und Sonja fühlte sich plötzlich fast ehrfürchtig bei dem Gedanken, dass er ausgerechnet sie zu seiner Reiterin erwählt hatte. Aber sie spürte auch noch immer seinen Zorn. Warum war er nur so wütend? Warum hatte er die Ohren noch immer angelegt, starrte Asarié an und peitschte mit dem Schweif?
»Benimm dich, Nachtfrost«, sagte Asarié, die fast fünf Meter entfernt stehen geblieben war. »Los, Kinder. Die Zeit wartet nicht.«
Sonja griff in Nachtfrosts Mähne, spürte das vertraute Schwindelgefühl und saß eine Sekunde später auf dem schwarzen Rücken. Asarié half Darian beim Aufsteigen. Aber als Melanie ebenfalls zu Nachtfrost hingehen wollte, hielt die Frau sie zurück. »Nein, du nicht.«
Melanie fuhr herum. »Und wieso nicht? Du hast doch vorhin erst gesagt –«
»Melanie«, sagte Asarié kühl, »denk bitte nach, bevor du mich anschreist. Die Wächterinnen der Nebelbrücke kön n en sie selbst nicht betreten. Du musst mit mir den anderen Weg gehen.«
»Aber –«
»Sieh es ein«, sagte Asarié und klang plötzlich beinahe so wie Isarde, eine der beiden Hexen, denen Melanie und Darian im Abgrund unter der Nebelbrücke begegnet waren. »Du hast eingewilligt, eine Brückenwächterin zu sein, und diese Tat hat Konsequenzen – für dich, für mich, für uns alle. Du konntest einmal auf Nachtfrost über die Brücke reiten, weil der Zauber Isarde und Idore noch nicht freigegeben hatte. Aber jetzt sind sie frei, und du bist gebunden. Du gehst mit mir durch die Spiegel und wirst Sonja und Darian in Parva wiedertreffen.«
Mit hängenden Schultern stand Melanie im Hof. Sonja hörte bestürzt zu – an diese Konsequenz hatte sie auch nicht gedacht. »Heißt das, Melanie darf nie wieder auf Nachtfrost reiten?«
»Nicht über die Brücke«, antwortete Asarié. »Und in Parva wird es für euch alle besser sein, eigene Pferde zu haben. Darian wird sich darum kümmern. Doch jetzt solltet ihr euch auf den Weg machen. Das hat hier alles schon viel zu lange gedauert.«
Plötzlich fiel Sonja noch etwas ein. »Warte noch! Ben hat gesagt –« Aber in diesem Moment machte Nachtfrost auf der Hinterhand kehrt, und sie griff hastig in die Mähne, um nicht herunterzufallen. »He! Ich wollte doch nur –«
Aber Nachtfrost schien die Geduld verloren zu haben. Aus dem Stand galoppierte er los, quer über den Hof, dass der Schnee ihnen nur so um die Ohren flog.
Aus dem Nichts bildete sich Nebel um das galoppierende schwarze Einhorn, floss vielleicht aus der schimmernden silbernen Mähne, wurde dichter und löschte die Welt aus.
D
er Geisterweg
Enttäuscht und niedergeschlagen sah Melanie zu, wie Nachtfrost mit seinen beiden Reitern im Nebel verschwand. Musste der Zauber denn wirklich so … so gerecht sein? Sie hatte sich bereit erklärt, die Brückenwächterinnen abzulösen, um einen Fehler wiedergutzumachen – aber erst jetzt begriff sie wirklich, dass sie damit einen Schritt in eine Welt getan hatte, deren Gesetze sie nicht kannte. So leicht, wie sie es sich zwischenzeitlich vorgestellt hatte, würde es wohl doch nicht werden.
Der galoppierende Hufschlag verklang, und der Nebel löste sich rasch auf. Im Osten kroch das erste Licht der Dämmerung herauf, und Melanie fuhr fröstelnd zusammen. Sie war so müde! Am liebsten hätte sie sich jetzt hingelegt und mindestens zehn Stunden geschlafen.
Natürlich war daran nicht zu denken. Asarié warf einen Blick zum Himmel. »Philipp, es wird Zeit. Sobald wir fort sind, holst du die Wechselbälger und bringst sie nach Hause, damit sie rechtzeitig in die Schule kommen. Wir haben viel zu lange getrödelt!« Mit großen Schritten ging sie zum Haus; ihr weißer Mantel wehte hinter ihr her.
Philipp schaute Melanie an. »Alles in Ordnung?«
»Ja, klar.« Gar nichts war in Ordnung. Ihr war zum Heulen zumute. »Sieht dieser – dieser Wechselbalg wirklich genauso aus wie ich?«
»Ich habe ja letztes Mal nur meine – hm – Ersatzschwester gesehen. Aber die sah Sonja schon sehr ähnlich.«
» War das nicht sehr schlimm?«
»Darauf kannst du Gift nehmen«, sagte Philipp. »Ich will schließlich meine richtige Schwester haben, nicht irgendeinen hergezauberten Ersatz.«
»Und du hast es wirklich sofort gemerkt?«
»Ziemlich schnell jedenfalls. Wieso fragst du?«
»Meine Eltern merken es bestimmt nicht«, sagte Melanie bitter, drehte sich um und rannte hinter Asarié her.
Philipp folgte ihr langsamer
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