Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
Platz.«
Nach fast einem Kerzenabschnitt trat Carina müde von ihrem Patienten zurück; Linton drückte ihr einen heißen Becher Kerif in die Hand, den sie dankbar annahm. Ihr Gefangener starrte nach wie vor den Boden an und schwieg. Tris bemerkte, dass zusätzlich zu der Heilung, die Carina dem gebrochenen Kiefer des Mannes hatte angedeihen lassen, es ihr auch gelungen war, die Schwellung über seinem blauen Auge zurückgehen zu lassen und seiner verletzten Wange wieder ihre natürliche Farbe zurückzugeben. Während der gesamten Prozedur hatte Vahanian mit verschränkten Armen und grimmiger Miene an einem Zeltpfosten gelehnt.
»Das ist alles, was ich für ihn tun kann«, erklärte sie.
»Kann er reden?«, fragte Vahanian.
Carina bedachte den Söldner mit einem verärgerten Blick. »Probier’s doch!«, erwiderte sie.
»Danke, Carina«, sagte Linton und kam einem erneuten Wortgefecht zuvor, indem er zwischen die beiden trat und die Heilerin am Arm nahm. »Lass mich dich zurück zu deinem Zelt begleiten«, bot er an und dirigierte sie sanft in Richtung Ausgang. »Wir können uns wirklich glücklich schätzen, eine Heilerin wie dich bei uns haben, und ich bitte dich nochmals um Entschuldigung dafür, dass ich dich mitten in der Nacht –«
Ungerührt von den Schmeicheleien des Karwan-Baschi blieb Carina an der Zeltklappe stehen und warf Vahanian einen warnenden Blick zu. »Lass ihn in einem Stück!«, warnte sie ihn. »Ich will das nicht noch einmal machen müssen!«
»Ich kann nichts versprechen«, entgegnete Vahanian ruhig mit einem wohlüberlegten Blick in Richtung des Gefangenen. »Ich passe auf das Lager auf, koste es, was es wolle.«
»Koste es, was es wolle«, wiederholte Carina kopfschüttelnd. Falls sie vorgehabt hatte, noch etwas zu sagen, so entschied sie sich dagegen, akzeptierte stattdessen Lintons Arm und verließ das Zelt. Linton warf Vahanian noch einen mahnenden Blick über die Schulter zu, mit dem er ihm offensichtlich bedeuten wollte, ruhig zu sein. Dann ließ er die Zeltklappe hinter sich zufallen und Tris und Vahanian allein mit dem Gefangenen zurück.
»Und jetzt«, sagte Vahanian mit bedrohlicher Stimme und baute sich vor dem Gefangenen auf, »wollen wir es noch mal mit den Fragen probieren. Und du solltest wirklich wissen, dass ich normalerweise nicht auf die Dame höre. Es könnte also deiner Gesundheit zuträglich sein, wenn du mir alles sagst, was ich wissen will.«
Der Gefangene rückte mit seiner Geschichte heraus, ohne dass Vahanian ihm weiter zusetzen musste. Er hatte nach Essen gesucht und allem, was er an Beute forttragen konnte. Tris konnte Vahanians Verhalten entnehmen, dass dieser mehr dahinter vermutete, doch nach einem Kerzenabschnitt des Befragens trat der Söldner endlich mit einem Fluch zurück und schüttelte den Kopf.
»Zufrieden, Jonmarc?«, fragte Linton, der wieder in sein Zelt zurückgekommen war und das Verhör von einem Gebetskissen aus mit verschränkten Armen verfolgt hatte.
»Nein, aber das ist alles, was ich kriegen werde.«
In diesem Moment steckte Cam den Kopf ins Zelt. »Entschuldige, Maynard«, sagte der große Mann mit einem flüchtigen Blick auf Tris und Vahanian, »aber da sind einige Leute, die dich sehen wollen.«
»Dieser Bursche wollte sowieso gerade gehen«, antwortete Vahanian für Linton, zog den Gefangenen hoch und führte ihn zum Ausgang. »Würde es dir etwas ausmachen, Cam, ihn zum Rand des Lagers zu begleiten und dafür zu sorgen, dass er sich in eine Richtung davonmacht, die unserer entgegengesetzt ist?«
Cam nickte und nahm den Mann am Arm. »Das kann ich tun. Mir ist zu Ohren gekommen, dass ihr eine schlaflose Nacht gehabt habt«, meinte er unverbindlich.
»Kann mir gar nicht vorstellen, wer dir das erzählt haben könnte«, antwortete Vahanian. Er sah an Cam vorbei nach draußen, wo drei Männer zu Pferde warteten, gekleidet in die traditionellen Händlergewänder aus Mussa. Hinter ihren Pferden waren drei Packesel zusammengebunden, die schwer mit in schützendes Sackleinen eingeschlagenen Seidenballen beladen waren und überdies auf beiden Seiten hüfthohe Körbe trugen.
Linton schob sich an Cam und Vahanian vorbei, um zu den Händlern zu gehen. »Seid gegrüßt, meine Händlerfreunde!«, empfing der Karwan-Baschi die drei Neuankömmlinge freundlich, wobei er sich nicht anmerken ließ, dass er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war. »Willkommen in meiner Karawane! Was können wir für Euch tun?«
»Ich weiß nicht,
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