Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
nicht wissen. Da ist Lintons Zelt«, sagte er schroff. »Mal sehen, was unser Besucher zu seinen Gunsten vorbringen kann.«
Der kleine, dicke Karwan-Baschi ächzte, als Vahanian ihn wach brüllte, und tastete ungeschickt herum, bis er eine Kerze entzündet hatte. »Jonmarc, das sollte besser wichtig sein«, fluchte der Kaufmann und wankte zum Zelteingang, doch als er den Gefangenen sah, verstummte er.
»Ich war draußen auf Wache und fand den hier am Rand des Lagers herumschleichen«, berichtete Vahanian und stieß den Mann an. Er zog einen Stuhl heran und drückte den Gefangenen darauf.
»Nun«, sagte Vahanian, wobei er den Dolch an seinem Gürtel zog und ihn demonstrativ im Kerzenlicht funkeln ließ, »wollen wir doch mal hören, was er zu seiner Rechtfertigung zu sagen hat.«
Der Gefangene sah von einem zum andern und bewegte dann den Mund zum Reden, doch die verstümmelten Wörter waren unverständlich. Mit einem Fluch wandte Linton sich an Vahanian.
»Fabelhafte Arbeit, Jonmarc! Du hast ihm den Kiefer gebrochen!«
»Vielleicht können wir ihn so weit heilen, dass wir seine Geschichte kriegen. Was ist mit Carina?«
»Mir fallen nicht viele ähnlich effektive Möglichkeiten ein, es sich mit ihr zu verderben. Du solltest besser mich sie holen lassen«, meinte Linton resigniert. »Ich vermute, ich werde heute Nacht sowieso nicht mehr zum Schlafen kommen.«
Tris und Vahanian warteten, während Linton das Zelt verließ, um die Heilerin zu holen. Ihr Gefangener saß mürrisch auf seinem Stuhl. Die Zeichen des Kampfes mit Vahanian zeigten sich bereits in seinem Gesicht: Ein Auge war schon so stark angeschwollen, dass er es kaum noch offen halten konnte, und eine seiner Wangen begann einen violetten Farbton anzunehmen. Nach einer scheinbaren Ewigkeit konnten sie Linton und Carina hören, die im Näherkommen stritten.
»Tja, jetzt wird es doch noch ein lustiger Abend«, murmelte Vahanian, als Linton die Zeltklappe für Carina aufhielt.
»– weiß ja selbst, dass es eine ungewöhnliche Bitte ist, Carina, aber ich wüsste es wirklich zu schätzen, wenn du –« Er verstummte, als sie vor dem Gefangenen standen und Carina von dem gefesselten Mann zu Vahanian und dann vorwurfsvoll zu Tris blickte.
»Habe ich das richtig verstanden?«, fragte Carina Vahanian und hob herausfordernd den Kopf. »Du siehst jemand, den du nicht kennst, schlägst ihn zu Brei und willst dann von mir, dass ich dir helfe ihn zu verhören?«
Tris konnte sehen, wie Vahanians Augen zornig aufblitzten. »Ich brauche nicht deine Hilfe, um ihn zu verhören. Was ich brauche, ist«, sagte er kurz angebunden, »dass du seinen Kiefer heilst, damit er uns sagen kann, warum er unser Lager ausgekundschaftet hat.«
»Woher willst du wissen, dass er uns ausgekundschaftet hat? Ich bin überrascht, dass du ihn nicht einfach durchbohrt und ihm anschließend deine Fragen gestellt hast!«
Ein zuckender Muskel in Vahanians Unterkiefer verriet, wie sehr er sich zusammennehmen musste, um höflich zu bleiben. »Ich weiß es, weil ich nachgedacht habe«, antwortete er äußerlich gelassen. »Er ist von jemandem hierher geschickt worden, und ich möchte wissen warum.«
Mit einem wütenden Blick, der keinen Zweifel daran ließ, dass dieser Streit noch nicht beendet war, begab sich Carina daran, den Gefangenen zu untersuchen. Gleich darauf schüttelte sie den Kopf. »Du hast ihm den Kiefer gebrochen«, stellte sie fest und sah zu Vahanian hoch.
»Das weiß ich«, versetzte der Söldner. »Kannst du es in Ordnung bringen?«
Carina blickte Linton an. »Auf keinen Fall werde ich diesen Mann heilen, nur damit dein angeheuerter Schläger ihn anschließend wieder bearbeiten kann!«
»Du weißt, dass wir das nie von dir verlangen würden, Carina«, sagte Linton beschwichtigend. »Aber es ist wichtig. Bitte, versuche es!«
»Ihr versteht schon, dass ich einen gebrochenen Knochen nicht einfach so« – sie schnippte mit den Fingern – »wieder zusammenfügen kann? Ich kann den Heilungsprozess beschleunigen, aber selbst nachdem ich mit ihm fertig bin, kann es sein, dass er eine Zeit lang nicht sprechen kann.«
»Na großartig«, brummte Vahanian leise, was ihm ein wütendes Funkeln von Carina eintrug.
»Hör zu, wenn du vorhattest, dich mit ihm zu unterhalten, hättest du irgendwo anders hinschlagen sollen.«
»Versuch es einfach«, bat Vahanian ruhig. »Bitte.«
Carina sah von ihm auf Linton. »Also gut«, meinte sie schließlich. »Macht mir ein wenig
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