Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
laufen?« Tris hielt inne. »Ich habe keine andere Wahl. Ich habe meine Familie verloren.«
»Das ist hierzulande keine Seltenheit.«
Tris sah Vahanian einen Augenblick lang schweigend von hinten zu, wie dieser zum nächsten Pferd ging und dessen Hufe zu inspizieren begann. »Shanna … war Familie?«, fragte Tris leise.
Dieses Mal war Vahanian so lange still, dass Tris nicht mehr damit rechnete, eine Antwort zu erhalten. »Sie war meine Frau«, sagte der Söldner endlich, ohne Tris dabei anzusehen.
»Und Arontala … hat sie umgebracht?«
Jetzt blickte Vahanian auf, und in seiner Miene spiegelte sich eine Mischung aus Verärgerung und Schmerz wider. »Du stellst viele Fragen.«
»Die Antworten sind von Bedeutung.«
Wieder folgte eine lange Stille und darauf ein Fluch und ein tiefes Durchatmen, bevor Vahanian sich aufrichtete und abwandte. »Ich nehme an, du wirst es sowieso aus Harrtuck rauskriegen.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Jawohl, ich gebe Arontala die Schuld«, sagte er mit gepresster Stimme. »Ich war jünger, als du es heute bist, bevor ich in die Armee ging. Ich verdiente nicht schlecht oder kam zumindest zurecht, indem ich als Schmied arbeitete und Grabjuwelen aus den Höhlen in den Grenzländern rausholte, aus den Begräbnisstätten, die bei allen in Vergessenheit geraten sind.
Eines Abends kreuzte ein Magier auf, der sich Foor Arontala nannte. Er bot mir mehr Geld an, als ich mir vorstellen konnte, für einen Talisman, der unten in den Höhlen sein sollte. Alles, was ich tun musste«, erklärte Vahanian mit bitterer und spöttischer Stimme, »war ihn zu finden und zurückzubringen.«
Tris wartete das Ende des nächsten Schweigens ab und fragte sich, ob Vahanian weiterreden würde. Vahanians Blick war in weiter Ferne. »Das tat ich. Ich fand ihn genau dort, wo der Magier es gesagt hatte, in einem Grab, dass ich vorher noch nie gesehen hatte. Und ich brachte ihn zurück. Ich hing ihn mir an einem Lederriemen um den Hals, um ihn auf keinen Fall zu verlieren, und kehrte in mein Dorf zurück. Nur dass in dieser Nacht die Wesen kamen.«
»Wesen?«
Vahanian atmete bei der Erinnerung daran tief durch. »Wesen. Wie die ›verzauberten Bestien‹, von denen wir ständig hören. Sie sind real. Und sie sind böse. Sie kamen aus dem Nichts, und alles, was sie wollten, war Tod.« Er hielt inne; unbewusst ging seine Hand zu der Narbe, die sich von seinem Ohr zu seinem Schlüsselbein zog und unter seinem Hemd verschwand. »Wir bekämpften sie mit allem, was wir hatten. Ich durchbohrte sie, hackte sie in Stücke, nichts hielt sie auf. Bei Tagesanbruch war kein Dorfbewohner außer mir mehr am Leben. Und mit dem ersten Morgenlicht verschwanden die Wesen wie Rauch.« Als er Tris ansah, lag in seinen Augen der Schmerz der Erinnerung. »Der Talisman hatte sie herbeigerufen. Arontala muss das gewusst haben. Ich hatte sie ins Dorf gebracht. Und es gab nichts, was ich tun konnte, als sie kamen.«
»Wie kommt es, dass du nicht auch gestorben bist?«, fragte Tris ruhig.
Vahanian schüttelte den Kopf. »Meine einzige Vermutung ist, dass der Talisman seinen Träger beschützt. Das wusste Arontala wahrscheinlich auch.«
»Was ist dann passiert?«
»Dann brachte ich das verfluchte Ding zurück zu den Höhlen, wo ich es gefunden hatte, machte einen Scheiterhaufen aus dem Dorf und rannte so weit weg, wie ich konnte. Und den Magier sah ich nicht wieder, bis er ein Jahr später hinter meinem befehlshabenden Offizier in Ostmark auftauchte.« Vahanian senkte den Kopf und lehnte sich gegen das Pferd. »Reicht dir diese Geschichte, Prinz?«, fragte er und unternahm keinen Versuch, die Bitterkeit aus seiner Stimme fernzuhalten. Als Tris nichts sagte, drehte der Söldner sich zu ihm um und schüttelte den Kopf.
»Du begreifst es nicht, nicht wahr?«, sagte Vahanian müde. »Mit keinem Kämpfen in der Welt wirst du sie zurückbringen. Und wenn du das nicht kannst, welchen Sinn hat dann Rache?«
»Jemand muss ihn aufhalten.«
Vahanian warf die Arme in einer Geste der Hoffnungslosigkeit in die Luft. »Ihn aufhalten? Du könntest ebenso gut versuchen, den Mond zu verdunkeln! Die Vayash Moru zu zähmen! Die Toten zu erwecken! Es ist unmöglich. Du wirst tot sein, und Arontala wird gewinnen.«
»Ich muss es versuchen.«
»Lass dich nicht aufhalten«, murmelte Vahanian düster und überprüfte die Futtervorräte seines Pferdes. »Ich werde die Barden bitten, mir die Geschichten zu erzählen. Hoffnungslose Fälle geben
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