Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
zu einem gleißenden Ball bündelte. Alyzza! , dachte Tris hoffnungsvoll, indes Carinas Fänger einen Schritt zurücktaumelten. Doch seine Hoffnung erstarb rasch, als zwei weitere Sklavenjäger mit einem schweren Mantel in Händen auf die Alte zusprangen, hart auf der Heckenhexe landeten und sie so fest in den Mantel fesselten, dass Tris befürchtete, Alyzza könnte ersticken.
»Ich fürchte, dass es keinem von uns anders geht«, antwortete Tris und wehrte mit Müh und Not einen weiteren Schlag seines Angreifers ab. Cam, Soterius und Harrtuck waren in dem Durcheinander nirgends zu sehen; die Schreie der in Panik versetzten Karawanenhändler vermischten sich mit den Schlachtrufen der Sklavenjäger. Überall um sie herum standen Zelte in Flammen und erhellten den Lagerplatz in einem Spiel aus Licht und Schatten.
Gerade als Tris seine letzten Energiereserven bündelte, um dem Vorrücken seines Gegners Einhalt zu gebieten, hörte er ein Zischen und neben seinem Stiefel einen dumpfen Aufschlag; als er nach unten blickte, sah er einen Armbrustbolzen, der sich keine Handbreit vor seinen Zehen ins Erdreich gebohrt hatte. Sein Gegner nutzte den kurzen Moment der Abgelenktheit und führte einen Schlag von solch mörderischer Heftigkeit, dass Tris’ Klinge entzweibrach. Die Hoffnung, dass Vahanian zu ihrer Rettung gekommen war, verflüchtigte sich, als Tris aufsah und sich von einem halben Dutzend verwegener Gestalten umringt sah, die ihn und Carroway mit kalten Blicken anstarrten und gespannte Armbrüste im Anschlag hielten, deren Bolzen direkt auf sie gerichtet waren.
»Lasst die Waffen fallen!«, forderte ein breitschultriger Sklavenjäger sie auf. »Auf diese Entfernung können wir euch auf keinen Fall verfehlen! Ich versichere euch, lebend seid ihr für uns wertvoller als tot!«
Angewidert ließ Tris fallen, was von seinem Schwert noch übrig war, und hörte einen Augenblick später Carroways Waffe auf dem Boden landen. Vier der Sklavenjäger liefen zu ihnen und zwangen Tris und Carroway auf die Knie und nahmen ihnen ruppig ihre übrigen Waffen ab. Tris tauschte einen ernsten Blick mit seinem Freund, dessen bleiche Miene Tris’ eigene düstere Einschätzung ihrer Situation widerspiegelte. Gleich darauf war der Kampf vorbei, und die Sklavenjäger fingen an, ihre Gefangenen auf der freien Fläche im Lager zu versammeln. Carina, die sich immer noch sträubte, wurde neben Tris geschleift und unsanft auf den Boden fallen gelassen. Mit einem gedämpften Fluch gelang es der Heilerin, ihrem Fänger einen heftigen Tritt ans Fußgelenk zu verpassen. Der Mann schrie auf und wirbelte herum, um sie zu schlagen, doch der gebrüllte Befehl eines hochgewachsenen Sklavenjägers gebot ihm Einhalt.
»Niemand vergreift sich an einem der Gefangenen, sonst bekommt er es mit mir zu tun!« Carinas Möchtegernzüchtiger hielt mitten in der Bewegung inne und humpelte mit einem Knurren und einem Blick, der Ärger verhieß, von dannen.
»Sir!«, keuchte ein Meldegänger und kam eine Armeslänge vor dem Großen, in dem Tris den Wortführer der angeblichen mussanischen Seidenhändler wiedererkannt hatte, stolpernd zum Stillstand. »Wir haben Meldung vom Pass: Die andere Gruppe ist gesichert.«
Der Große lächelte kalt und nickte. »Gut«, sagte er mit Genugtuung. »Sehr gut. Kaine hat sich seine Belohnung verdient. Sag ihnen, sie sollen uns hier treffen. Wir werden die Fracht zusammen zu den Käufern schaffen.«
»Wie Ihr wünscht.« Der Meldegänger entfernte sich, und der große Sklavenjäger begutachtete seine Gefangenen.
»Ich glaube, wir stecken in Schwierigkeiten«, raunte Carroway Tris zu.
»Sieht aus, als ob es ein bisschen länger dauern würde, bis wir nach Fahnlehen kommen.«
»Du da!«, blaffte der Sklavenjäger Tris an. »Sei still!«
Die Sklavenjäger sicherten das Lager mit professioneller Geschwindigkeit. Tris’ Mut sank, als die gefesselten und zum Teil in Ketten liegenden Gefangenen überblickte: Von den fünfzig, die bei Linton geblieben waren, waren nur noch vierzig übrig. Die anderen, mutmaßte Tris, waren wohl eher bei der Verteidigung des Lagers gefallen als vor den Angreifern geflohen. Zu seiner bitteren Enttäuschung zählten auch Cam, Soterius, Harrtuck und Vahanian zu den Fehlenden.
»Das sind jetzt alle – das heißt, alle, die noch atmen jedenfalls«, meldete ein kleiner, pockengesichtiger Sklavenjäger.
»Was ist mit dem Karwan-Baschi?«, fragte der Große.
Der Pockengesichtige schüttelte den Kopf.
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