Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
weiter. Wir werden alle sicherer sein mit einer zusätzlichen Klinge«, meinte er mit einem Nicken auf die Schwertscheide an ihrer Seite. »Schlaf wird allerdings ohnehin keiner von uns finden heute Nacht.« Er unterbrach sich. »Ich bin übrigens Tris.«
Ob es die Aussicht auf Heilung war oder die Angst davor, alleine nächtigen zu müssen, jedenfalls schien sie sich zu entschließen, sein Angebot anzunehmen, und der Anflug eines Lächelns umspielte ihre Lippen. »Ich bin Kiara.« Sie zögerte kurz. »Ich wurde von den Priesterinnen auf eine Reise geschickt«, fuhr sie fort und ließ ihr Pferd neben Tris, der wieder losgeritten war, in Trab fallen; während ihrer Unterhaltung behielten sie beide argwöhnisch das Unterholz rechts und links der Straße im Auge. »Es ist bei meinem Volk ein Ritus des … Übergangs. Eine Art Test, woraus man gemacht ist, nehme ich an.«
»Klingt nach einer guten Art und Weise ums Leben zu kommen.«
Kiaras Lächeln wurde offener. »Vielleicht hast du recht.« Ihr Blick schweifte in die Ferne. »Um ehrlich zu sein, ich hatte die Wahl zwischen dieser Reise und einer arrangierten Ehe und habe mich für das kleinere Übel entschieden.«
»Jemand muss enttäuscht sein.«
Kiara sah ihn an, als ob sie ergründen wollte, ob seine Bemerkung ernst gemeint war. »Wütend, ja. Enttäuscht – nicht wirklich. Er hat einiges gemeinsam mit dem … Ding, das du vorhin getötet hast«, erklärte sie angewidert.
»Dann hoffe ich, dass deine Reise ein Erfolg wird.«
Erneut blickte sie ihn prüfend an. »Was du im Dorf getan hast – bist du ein Magier?«
Nach der Zurschaustellung auf der Kreuzung war es wohl zwecklos zu leugnen. »Magierschüler trifft es wohl besser«, antwortete er unbehaglich. Er hielt sein Pferd an und stellte sich in den Steigbügeln auf, um sich einen Überblick über das Gelände zu verschaffen. »Im Augenblick würde ich gerne wissen, ob diese Straße sich irgendwann wieder mit der auf der anderen Seite des Dorfes vereinigt«, wechselte er das Thema. Am Himmel stand ein zunehmender Mond, der sie der Notwendigkeit enthob, bei Fackellicht zu reiten, aber die wogenden Hügel machten es schwierig, die geographischen Gegebenheiten abzuschätzen. »Ich habe nämlich keine Lust, durch das Dorf zurückzureiten.«
»Ich habe eine Karte«, bot Kiara an und kramte sie aus ihren Sachen hervor, wobei sie das Gesicht verzog. Tris vermutete, dass die Wunde schmerzhafter war, als sie sich anmerken ließ.
Während Kiara die Landkarte entfaltete, beschwor Tris einen kleinen Ball kalten Handfeuers. Dass Kiara keine Furcht vor seinen Kräften zu haben schien, beeindruckte ihn. Dass sie allerdings fähig war, sich allein gegen eine der Bestien zu behaupten, wenn auch nur kurz, faszinierte ihn noch mehr. Er riskierte einen verstohlenen Blick auf sie. So, wie sie zu Pferde saß und sich hielt – ebenso der gleichmütigen Art und Weise nach, mit der sie ihre Wunde ertrug –, vermutete er, dass sie eine militärische Ausbildung genossen hatte. Aus ihren braunen Augen sprach Intelligenz, und ihr Auftreten verriet gute Erziehung und eine Abstammung aus wohlhabenden Verhältnissen. Ihre Kleidung war ohne schmückendes Beiwerk, Mantel und Jacke die eines Mannes. Im schwachen Schein des Handfeuers war es jedoch in erster Linie ihr Gesicht, das ihn fesselte. Wie kommt es, dass eine so schöne Frau – in Kriegsdingen erfahren oder nicht – alleine in die Wildnis reitet, um einem unerwünschten Freier zu entgehen? , wunderte er sich.
»Da«, riss ihn Kiara aus seinen Gedanken und zeigte auf die Karte. »Wenn wir tatsächlich an diesem Punkt sind, dann müssten die Straßen nicht weit von hier wieder zusammenlaufen.«
Tris nickte. »Lass uns weiterreiten. Je eher wir meine Freunde treffen, desto sicherer werden wir sein.«
*
Während des weiteren Ritts hüllte Kiara sich in Schweigen. Schmerzlich war sie sich der Abwesenheit Graufuß’ bewusst, doch fehlten ihr die Worte wie auch der Wille, den Verlust mit ihrem Weggefährten zu teilen, der sie vielleicht nur für verrückt halten würde, weil sie um einen Fuchs trauerte. Sie musterte Tris heimlich: schulterlanges, weißblondes Haar, zu einem Zopf zurückgebunden. Auftreten und Ausdrucksweise deuteten auf eine gesellschaftliche Stellung hin, mit der seine schwieligen Hände schlecht in Einklang zu bringen waren. Wozu treibt sich ein Magier in dieser verlassenen Gegend herum? , fragte sie sich. Obwohl sie natürlich dankbar für sein Eingreifen
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