Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
war, erweckte die unerwartete Rettung dennoch ihr Misstrauen. Lady und Kind! Möglicherweise halse ich mir ja nur noch mehr Schwierigkeiten auf, aber ich glaube nicht, dass ich lang am Leben bleibe, wenn ich allein reite!
Jae bewegte sich in seiner Schlinge. Sie streichelte seine Schuppen und musste wieder an Tris’ unerwartete Freundlichkeit denken, als er ihr das Tuch angeboten hatte. Noch einmal sah sie unauffällig zu ihm hinüber. Er schien ungefähr in ihrem Alter zu sein, wirkte aber müde, als ob er schon geraume Zeit unterwegs sei. Sein Mantel war aus gewöhnlichem Tuch und seine Hose aus grobem Stoff. In seinen blauen Augen jedoch lag ein gehetzter Ausdruck, und sie fragte sich, wovor außer den Bestien er wohl noch davonlief. Etwas an seinem Gesicht, an seinen hohen Wangenknochen und seinem Profil, kam ihr vertraut vor.
Nach ihrem überstürzten Aufbruch von zu Hause hatte Kiara schnell gelernt, dass hier draußen jeder vor irgendetwas auf der Flucht zu sein schien. Er hat nicht alles von sich preisgegeben , sagte sie sich. Sie spürte nicht, dass eine Gefahr von ihm ausging, was sie angesichts des Verlaufs ihrer bisherigen Reise überraschte. Ihre offensichtliche Gewandtheit im Umgang mit dem Schwert und ihr Streitross schienen ihn nicht zu beunruhigen. Wohin wohl seine Gruppe unterwegs sein mag? , sinnierte sie. Vielleicht trennen sich unsere Wege ja, bevor ich nördlich nach Westmark reite. Ich würde nur ungern erklären müssen, wieso ich zu einer Bibliothek reise, die schon lange nicht mehr existiert!
Sie waren kaum einen halben Kerzenabschnitt geritten, als ein Mann aus den Büschen am Straßenrand trat. Kiaras Hand ging zum Schwert, doch Tris hielt sein Pferd an.
»Hast du auf mich gewartet?«, gab Tris sich zu erkennen. Der Schwertkämpfer, ein schlanker, durchtrainierter Mann mit dunkelbraunem Haar und dem sonnengegerbten Teint eines Jägers, nickte.
»Hast lange genug gebraucht! Ich war drauf und dran, zurückzureiten und dich zu suchen!«, antwortete der Mann in einem Tonfall, der sowohl Erleichterung wie auch Verärgerung verriet.
»Ich hatte eine Begegnung mit einem weiteren dieser freundlichen kleinen Zaubertierchen«, erwiderte Tris sarkastisch. »Und hab es verscheucht, bevor es eine andere Reisende fressen konnte«, fügte er mit einer Handbewegung auf Kiara hinzu.
Diesen Moment wählte Jae, um seinen Kopf aus der behelfsmäßigen Schlinge herauszustrecken und zu züngeln. Der Gesichtsausdruck des Schwertkämpfers wechselte zwischen Verärgerung, Besorgnis und Resignation. »Lesen wir jetzt Streuner auf?«, fragte er gereizt, wobei die Bemerkung eindeutig auf Tris gemünzt war.
»Sie hat sich eine üble Wunde eingefangen und braucht eine Heilerin. Das Gleiche gilt für ihren Gyregon.«
Der Schwertkämpfer rührte sich einen Moment lang nicht von der Stelle, dann schüttelte er den Kopf und wandte sich ab. »Was soll’s, ist schließlich deine Gruppe«, sagte er, drehte ihnen den Rücken zu und ging die Straße hoch. »Je mehr, umso lustiger.«
Nach diesem offensichtlichen Kräftemessen der beiden Männer kam Kiara ihr neuer Gefährte noch mysteriöser vor. Der Schwertkämpfer war es eindeutig gewohnt das Sagen zu haben und schien sich als Anführer der Reisegruppe zu betrachten, aber Tris umgab eine Aura der Befehlsgewalt, die sich gegen seinen eigensinnigen Gefährten durchsetzte.
Sie waren noch nicht weit gekommen, als der Schwertkämpfer ihnen mit einem Wink bedeutete abzusteigen, und Kiara ließ sich von Gespenst rutschen, so gut es ging, ohne den Gyregon zu zerquetschen, der übellaunig protestierte. Tris nahm ihr die Zügel ab und führte Gespenst zu einer kleinen Baumgruppe, wo er das Pferd bei seinen Artgenossen anband. Dass Tris sie nicht beleidigte, indem er ihr anbot, ihr vom Pferd zu helfen, ließ ihn in ihrer Achtung weiter steigen.
»Passt auf, wie ihr das Essen aufteilt, es gibt einen neuen Mund zu füttern«, rief der Schwertkämpfer, als sie sich dem Lager näherten.
»Schön, dich in einem Stück wiederzusehen«, antwortete ihm ein großer Mann mit blauschwarzen Haaren und erhob sich vom Feuer. Er war auffallend gut aussehend, und als er sich bewegte, geschah es mehr mit der Eleganz eines Tänzers als mit dem Habitus eines Kämpfers.
»Gleichfalls«, antwortete Tris. Ebenfalls am Feuer saßen eine dünne, brünette Frau und ein junges Mädchen, das emsig damit beschäftigt war, einen Laib Brot mit einem Messer in Scheiben zu schneiden.
»Sie ist verletzt
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