Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
herauszufinden, ob die Bibliothek real ist oder nicht.«
Kiara nickte; ihr wurde plötzlich bewusst, wie erschöpft sie eigentlich war. »Ich helfe dir, einen Platz für deine Decke zu finden«, bot Carina ihr an. »Wir bleiben ziemlich dicht beisammen.« Sie rang sich ein mattes Lächeln ab. »Wir haben uns dazu entschieden, ein wenig Privatsphäre aufzugeben, um nicht noch einmal in die Hände von Sklavenjägern zu fallen.«
»Gute Idee«, stimmte Kiara zu. Sie sah von Tris zu Vahanian und Carroway. »Ich erwarte, zur Wache eingeteilt zu werden.«
»Die erste Nacht ist umsonst«, witzelte Carroway. »Morgen kannst du deine Schicht übernehmen und meine dazu, wenn du willst.«
Kiara sah noch einmal nach Gespenst und trug dann ihre Decken zu der Stelle, die Carina für sie freigemacht hatte. Nachdem sie so lange allein unterwegs gewesen war, stellte sie überrascht fest, wie tröstlich es war, beim Einschlafen die Geräusche anderer Menschen um sich herum zu hören.
Der Morgen kam allzu rasch. Carroway wärmte Haferschleim über dem kleinen Feuer, den sie mit Wasser aus einer Quelle hinter dem Hügel herunterspülten. Die Gruppe reiste jetzt schon so lange zusammen, dass sich eine gewisse Aufbruchsroutine entwickelt hatte, wie Kiara auffiel, und so müde sie auch sein mochten, das Lager wurde in Rekordzeit abgebrochen.
Kiara empfand ein aufgeregtes Prickeln, als sie sich auf die Straße begaben. Die Bibliothek zu finden war zu einer eigenen Queste geworden, und sie spürte dieselbe gespannte Erwartung auch bei den Übrigen. Eine Zeit lang ritt Kiara neben Carina und genoss die vertraute Gesellschaft. Jae hüpfte von ihrer Schulter zu Berry und ließ sich von dem Mädchen die Schuppen kraulen, wobei er zufriedenes Gezwitscher von sich gab. Den späten Vormittag verbrachte Kiara an Carroways Seite und genoss seine Lieder und Erzählungen. Den gutmütigen Hänseleien der anderen entnahm sie, dass diese Carroways Geschichten nicht zum ersten Mal hörten, und auf ihre Frage hin erklärte ihr der Barde, dass er ihre Unterkunft für die Nacht oft mit seinen Auftritten in dem entsprechenden Gasthaus finanzierte.
Am interessantesten war der Teil des Rittes, den sie neben Tris verbrachte. War er zu Anfang wortkarg, so taute er etwas auf, als sie ihm ihre eigenen begrenzten Fähigkeiten im Umgang mit Magie gestand, und sprach mit ihr über Zauberkunst, selbst erlebte wie auch kolportierte. Sie war überrascht, als Carina sie unauffällig zur Seite nahm, als sie an diesem Abend das Lager aufschlugen. »Worüber hast du dich so angeregt mit Tris unterhalten?«, erkundigte sich die Heilerin.
Kiara zuckte die Schultern. »Hauptsächlich haben wir Theorien über Magie ausgetauscht, die wenigen Magier, die wir kennen, miteinander verglichen und dergleichen.«
»Ich bin erstaunt, dass du ihm gegenüber so offen bist«, sagte Carina. »Wenn man bedenkt …«
Kiara runzelte die Stirn. »Wenn man was bedenkt?«
Carina blickte sie prüfend an. »Du weißt es nicht, stimmt’s?«
»Weiß was nicht? Würdest du bitte aufhören, in Rätseln zu sprechen?«
»Ich habe ihn dir nicht vorgestellt, weil ich angenommen hatte, ihr hättet das schon alles hinter euch gebracht«, erklärte Carina. »Hat er dir gesagt, wer er ist oder warum er hier draußen ist?«
Kiara schüttelte den Kopf. »Das ist nicht wirklich zur Sprache gekommen. Ich habe mich daran gewöhnt, solche Sachen auf der Reise nicht zu fragen. Ich bin davon ausgegangen, dass du ihm vertraust.«
Carina nickte. »Das tue ich auch, uneingeschränkt. Aber es gibt etwas, was du wissen solltest. Tris und Carroway waren Augenzeuge von König Bricens Ermordung, und der Mörder will ihren Tod. Tris wurde gesagt, er fände seine Antworten in Westmark.«
»Du verschweigst mir irgendetwas!«
Carina sah ihr in die Augen. »Kiara, er ist Martris Drayke! Von Margolan! Jared Draykes jüngerer Bruder.«
Kiara atmete scharf aus und warf einen Blick hinter sich auf Tris, der beim Feuer stand und sich mit Vahanian unterhielt. »Du liebe Chenne!«, sagte sie schließlich. Jetzt ergab die Ähnlichkeit, die ihr aufgefallen war, Sinn, dachte sie, während sie Tris aus der Entfernung betrachtete. Jared war zwar von Haar- und Hautfarbe ebenso dunkel wie Tris hell, aber die Ähnlichkeit war unverkennbar: die Stirn, die Augen, die hohen Wangenknochen, obwohl Tris’ Lippen freundlicher geschwungen waren und seine Haltung nichts von Jareds lässiger Arroganz hatte. Der Abscheu und die Wut über
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