Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
das, was sie auf der Straße von Margolan nach Fahnlehen gesehen hatte, überkamen sie erneut, ebenso wie die Furcht, was eine arrangierte Ehe mit einem solchen König bedeuten würde, für ihr Volk und für sie selbst. Konnten zwei Brüder wirklich so unterschiedlich sein? Dennoch mochte sie Tris aufrichtig und fühlte sich wohler mit ihm als mit den meisten Männern. Er zeigte kein Bedürfnis, sie im Schwertkampf zu besiegen oder sich als ihren Beschützer aufzuspielen. Er hatte sie nicht einmal nach ihrer sozialen Stellung gefragt noch seine eigene königliche Abstammung durchblicken lassen.
»Er beabsichtigt einen Weg zu finden, Jared zu stürzen«, fuhr Carina fort. »Und König Harrol von Dhasson ist möglicherweise bereit, ihn dabei mit einem Vermögen zu unterstützen.« Ihre dunklen Augen waren sorgenvoll. »Es wird zum Krieg kommen, Kiara, und wir stecken mittendrin.«
Vielleicht sogar noch mehr, als du denkst, meine Cousine , dachte Kiara und sah wieder zu Tris hin. Das Beste war es wohl, ihre eigenen Pläne noch eine Zeit lang für sich zu behalten und gleichzeitig ein wenig Abstand zwischen sich und Tris zu bringen, wenigstens für den Moment.
»Danke für die Warnung«, sagte sie so gelassen, wie es ihr möglich war. »Während sie sich um das Abendessen kümmern, wie wäre es da, wenn du mich über die anderen ins Bild setzt? Angefangen mit ihm«, meinte sie mit einem Nicken in Vahanians Richtung.
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
S ie standen früher als gewöhnlich auf, begierig darauf, sich wieder auf den Weg zu machen. Schon nach einem Kerzenabschnitt hatten sie die Landstraße verlassen und ritten auf kaum passierbaren Pfaden weiter. Anfangs kamen sie hier und da an baufälligen Hütten oder Scheunen vorbei; später, als ihr Weg sie immer weiter nach Norden führte, gab es gar keine Hinweise auf jüngere Besiedlung mehr.
Das Land war felsig, bar guten Ackerbodens oder Weidegrunds, und die Hänge boten weder Erz noch Edelsteine. Hier kamen die Nebenflüsse des Nu aus den Bergen herunter, zu seicht und zu wild für Handelsschiffe. Seit sie die Landstraße verlassen hatten, waren sie keiner Menschenseele begegnet und auch keiner der Bestien; dennoch hatten sie Fackeln und Pech stets in Reichweite.
Einen Teil des Morgens verbrachten sie damit, einen Pfad entlangzureiten, der irgendwann vor einer Felswand endete. Ein anderer alter Weg verlief sich in einem brachliegenden Feld. Staubig, hungrig und ruhelos folgten sie einem kaum erkennbaren dritten Pfad. Vahanian stieg vom Pferd, um das Gestrüpp aus dem Weg zu räumen. Als die Sonne schon hoch am Himmel stand, kamen sie an einen kleinen Wasserlauf.
»Tja, hier sollte es eigentlich sein«, meinte Vahanian und hielt die Karte vor sich.
»Ich sehe nichts«, sagte Kiara und lenkte Gespenst neben Vahanian. Tris war aufgefallen, dass ihre neue Begleiterin, die am Tag zuvor noch so freundlich gewesen war, sich während des heutigen Ritts mehr und mehr zurückgezogen hatte.
»Da drüben!«, sagte Carroway auf einmal und zeigte auf die überwucherten Ruinen eines steinernen Gebäudes.
»Sieht mir nicht sehr nach einer Bibliothek aus«, brummte Vahanian und trieb sein Pferd mit einem Schenkeldruck an, »aber schauen wir uns die Sache mal an.«
Inmitten verkrüppelter Bäume und niedriger Büsche ragten die Überreste eines Turmes vom Boden auf, die von einem Gewirr aus Schlingpflanzen und Brombeerranken fast völlig verborgen wurden. Zerbrochene Schieferplatten führten auf die Ruine einer ausladenden Vordertreppe zu. Ein stabiles Eisentor verwehrte ihnen den Eintritt.
»Das kann nicht der richtige Ort sein«, sagte Kiara mit gedämpfter Stimme. »Die Schwester und Sakwi … sie schienen sich ihrer Sache so sicher zu sein …« Sie schwieg und nahm das Bild vor sich enttäuscht in sich auf. Carina sah genauso traurig aus.
Tris schwang sich vom Pferd und begann, sich durch das Gestrüpp einen Weg zum Tor zu suchen. Carroway stieg ebenfalls ab und gesellte sich zu ihm. »Was denkt ihr denn, was ihr da findet?«, rief Vahanian ihnen nach, während er und die anderen die Pferde anbanden.
»Keine Ahnung!«, rief Tris zurück. »Vielleicht gar nichts.«
Irgendetwas fühlte sich falsch an, spürte Tris, als er sich einen Pfad zu der Ruine bahnte. Nicht gefährlich, aber eigenartig, als ob seine Sinne im Zwiespalt mit etwas lägen, wovon seine innere Sicht wusste, dass es nicht in Ordnung war. Hier war Magie, alt und stark. Etwas drängte ihn umzukehren. Ein
Weitere Kostenlose Bücher