Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
Hand der Frau war zum Abschied erhoben, und ihr kleiner Sohn winkte ein Lebewohl.
»Was zum Teufel ist hier los?«, sagte eine raue Stimme hinter ihm. Tris wirbelte herum und sah Vahanian auf der anderen Seite des Brunnens stehen, die Arme in die Hüften gestemmt, das Gesicht eine Mischung aus Ärger, Unglaube und Unsicherheit.
Tris schluckte schwer und beschäftigte sich mit seinem Eimer. »Ich bin hier, um Wasser zu holen«, sagte er und hoffte, dass seine Stimme ruhig klang. Die Implikationen dessen, was gerade vorgefallen war, ließen ihn schwindlig werden.
»Das habe ich nicht gemeint«, knurrte Vahanian. »Du stehst hier draußen in der Dunkelheit und unterhältst dich mit Geistern. Dein Freund hat die Wahrheit gesagt, stimmts? Du bist ein Magier!«, stellte er fest, und das letzte Wort war eine deutliche Anklage.
Tris straffte die Schultern und wandte sich dem Söldner zu. »Ich weiß nicht, was ich bin!«, fuhr er ihn an. »Ich bin ein Prinz ohne Königreich, ein Sohn ohne Familie, ein Flüchtling und ein Bettler. Was kümmert es dich?«
»Wie ich schon sagte, ich gehöre entweder ganz dazu oder ich war die längste Zeit euer Führer«, erwiderte Vahanian mit eisiger Stimme. »Ich werde nicht noch einmal fragen, aber möglicherweise werde ich es aus dir herausprügeln. Was zum Teufel hast du da gemacht?«
Tris leckte sich nervös die Lippen. »Ich bin mir … nicht wirklich sicher«, gab er zu. »Ich konnte schon immer Geister sehen, mit ihnen reden, nicht nur an Spuken, sondern die ganze Zeit. Sogar Geister, die sonst niemand sieht.« Er zuckte die Schultern. »Reiner Zufall, nehme ich an. Aber ich habe noch nie welche außerhalb des Schlosses und der Stadt gesehen. Jetzt, seit den … Morden, sehe ich die Geister außerhalb Shekerishets genauso leicht wie vorher die Schlossgeister.«
»Es hat keinen Seelenrufer mehr gegeben, seit die Zauberin in Margolan gestorben ist«, grübelte Vahanian und kaute auf seiner Unterlippe herum. »Das ist fünf, vielleicht sechs Jahre her. Seitdem niemand, der sie zur Ruhe legt, niemand außer den Sehern und den Betrügern, um eine Botschaft zur anderen Seite zu übermitteln, für niemand die Möglichkeit, ihren Segen zu bekommen und sich dessen sicher zu sein.« Er blickte Tris nachdenklich an. »Wenn du so gut bist, wie Harrtuck glaubt, dann bist du die heißeste Ware in ganz Margolan. Ich kann mir gut vorstellen, dass Arontala und dieser neue König dich nur zu gerne in die Finger kriegen würden.«
Bevor Tris etwas erwidern konnte, schnappte sich Vahanian den Eimer. »Morgen werden wir darüber sprechen, wie wir es vermeiden können, dich zur Zielscheibe zu machen«, brummte der Söldner und ging mit weit ausholenden Schritten in Richtung Lagerplatz zurück, sodass Tris sich beeilen musste, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. »Ich bezweifle, dass dein Onkel mir etwas für deine Leiche bezahlen wird.«
*
Am nächsten Tag, beim Abendessen am Lagerfeuer, erstattete Vahanian den anderen endlich Bericht. »Wir haben Glück. Lintons Karawane kommt hier vorbei und zieht nach Norden – genau dorthin, wo wir hinwollen.«
Soterius schlang sein Essen hinunter und ging zu den Pferden, um sie abzureiben; offensichtlich gab er sich alle Mühe, Vahanian aus dem Weg zu gehen. Tris saß still auf der anderen Seite des Feuers und hatte es nicht eilig, weitere Fragen des Söldners zu beantworten oder darüber nachzudenken, was die Ereignisse am Brunnen bedeuteten.
Vahanian schien es nicht zu bemerken. Er sah den Abhang hinunter auf das ruhige Dorf. Es war kurz nach Einbruch der Dunkelheit, und die Dorfbewohner trieben ihre Herden zusammen und führten sie über Nacht in die sicheren Ställe. Der Schein der Kochfeuer wärmte die kleinen Häuser; Rauchfahnen stiegen aus den Schornsteinen, und in der stillen Abendluft lag der Geruch gebratenen Fleisches.
»Wir dürfte keine Schwierigkeiten haben, uns als zusätzliche Wachen zu verdingen«, meinte Vahanian. »Oben im Norden hat es ›Scherereien‹ gegeben, obwohl keiner genau sagen konnte, was. Bestimmt haben Banditen was damit zu tun.« Er schüttelte den Kopf und unterbrach sich, um in das Kaninchen zu beißen, das Tris ihm anbot. »Aber da ist noch etwas anderes. Würde mich nicht überraschen, wenn es Probleme an der Grenze gäbe. Jenseits der nördlichen Bergkette hausen einige ziemlich wilde Clans, die schon immer schwer in Schach zu halten waren.«
Er hielt inne und starrte ins Feuer. Harrtuck beobachtete ihn
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