Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
platzierte. »Allerdings gehen mir allmählich die Ausreden aus. Wenn es nicht meine Befähigung zum Regieren gefährden würde, hätte ich ihm erzählt, dass ich in den Dienst der Göttin trete.«
Malae kicherte. »Das wäre ein Verlust fürs Königreich, Euer Hoheit. Und ich bezweifle, dass die Göttin Euer Gelübde braucht. Sie hat Euch ja schon als ihr Eigen beansprucht.«
Was immer das bedeuten mag , dachte Kiara düster. Sie betrachtete sich im Spiegel. Die sechs Monate, während deren sie ihres Vaters Krankheit verborgen und insgeheim die Last der Regentschaft getragen hatte, hatten ihren Tribut gefordert. Ihrer Meinung nach wirkte ihr Spiegelbild müde und abgespannt.
Kiara seufzte. »Ich schätze, ich bin so weit«, verkündete sie, als Jae auf ihre Schulter flatterte. »Wie lang noch, bis der Gesandte eintrifft?«
Malae warf einen Blick durchs Fenster auf den Hof. »Da ist schon seine Kutsche«, sagte sie und ließ den Vorhang los. »Seine Ankunft müsste in den nächsten Minuten gemeldet werden.«
Kiara nickte gedankenverloren. »Wir werden ihn einen Kerzenabschnitt lang warten lassen«, beschloss sie. »Es geht nicht an, dass es so aussieht, als ob ich auf ihn warten würde. Und ich werde mein Bestes tun, um herrisch und ernst zu wirken, denn ich nehme an, Jared hätte am liebsten eine hohlköpfige kleine Kurtisane, die ihm wie ein Schoßhündchen überallhin folgt.« Sie grinste schelmisch. »Das ist jedenfalls zunächst der Plan.«
Malae rückte Kiaras Kleid zurecht. »Ich bin sicher, Ihr werdet sehr überzeugend sein.«
Kiara sah ihr in die Augen. »Das hoffe ich, Malae«, sagte sie nachdenklich mit einem Blick zum Fenster. »Das hoffe ich.«
Die gefürchtete Stunde kam allzu schnell. Kiara wappnete sich, raffte ihr Kleid und ging zur Treppe, ihr voran eine Entourage, die von Malae sorgsam mit Augenmerk auf ihre Stattlichkeit ausgewählt worden war. Kiara ging im hinteren Korridor über der Treppe auf und ab, während sie hörte, wie der Seneschall sie mit so vielen offiziellen Titeln ankündigte, wie er anbringen konnte. Jae hüpfte gereizt auf ihrer Schulter hin und her. Als die Zeit für ihren Auftritt endlich gekommen war, hob Kiara den Kopf, straffte die Schultern, ermahnte sich in Gedanken, herrisch und ernst zu erscheinen, und begann mit dem Abstieg zur Empfangshalle, wo Jareds Abgesandte warteten.
Sie ließ sich Zeit und benutzte die lange Treppenflucht als Vorwand, um die Gesandten in Augenschein zu nehmen. Der eine war ein dick gebauter Mann von ungehobeltem Aussehen und machte eher den Eindruck eines Kraftmenschen als eines Diplomaten.
Dem anderen hingegen schien die Rolle auf den Leib geschneidert zu sein. Er war ein distinguierter Gentleman von vielleicht sechzig Jahren, weißhaarig, schlank und feinknochig. Trotz seines Schliffs schien er nervös zu sein, und einen Moment lang verspürte Kiara Gewissensbisse wegen der List, derer sie sich jetzt bedienen musste. Sie fragte sich, ob ein Fehlschlag den Gesandten das Leben kosten würde, und als ihre Blicke sich trafen und sie die Besorgnis in seinen blauen Augen sah, nahm sie an, dass dem tatsächlich so war. Ich habe keine Wahl , dachte sie, als sie grüßend den Kopf neigte. Und er ebenso wenig. Prinzessin oder Vasall, wir sind beide bloß Bauern in einem Schachspiel, sann sie, während der Seneschall zum Ende seiner Ankündigung kam.
»Geschätzte Besucher«, intonierte Allestyr, »Ihre Königliche Hoheit, Kiara Sharsequin, Prinzessin von Isencroft.« Kiara erwiderte das Starren des Gesandten gelassen, beobachtete ihn jedoch genau, um seine Reaktion zu beurteilen.
»Eure Hoheit«, sagte der stämmige Mann in einem ungeschickten Versuch höfischer Manieren, »erlaubt mir, Euch den Gesandten Catoril vom Königlichen Hof zu Margolan vorzustellen.«
Catoril trat vor und ließ sich auf ein Knie sinken, dann räusperte er sich, um seine Leibwache dazu zu veranlassen, es ihm gleichzutun. Der Ältere schien sich über seinen Begleiter zu ärgern, bewahrte jedoch die Fassung. »Euer Hoheit«, sagte der Gesandte. »Dies ist eine große Ehre.«
»Ihr dürft Euch erheben«, erwiderte Kiara eisig und bedauerte den Mann für die Vorstellung, die er nun über sich ergehen lassen musste.
Der Botschafter richtete sich elegant auf, wohingegen sein Begleiter sich mühsam aufrappelte. Er verbeugte sich tief und entnahm einer Tasche an seinem Gürtel eine kleine Schachtel, die er Kiara mit einem argwöhnischen Blick auf Jae hinhielt; der
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