Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
bemerkte, dass sein Leibwächter sie anstarrte. Unbeirrt erwiderte sie den Blick des ungehobelten Mannes, und er wandte die Augen ab. Sie nippte an ihrem Wein. Je eher diese Besucher aus Margolan sich wieder auf die Heimreise machten, desto besser.
Die Diener stellten den nächsten Gang vor sie. Es roch köstlich und erinnerte Kiara daran, wie hungrig sie war. Jae stibitzte unverschämt einen Leckerbissen von der Ecke ihres Schneidebretts. »Und die königliche Familie, wie geht es ihr?«, fragte Kiara und beobachtete Catoril scharf. Ein plötzlicher Schmerz schien in seinen Augen aufzublitzen, doch sein Gesicht zeigte keine Regung.
»Habt Ihr es nicht gehört, Euer Hoheit? Vor mehreren Wochen ereignete sich eine fürchterliche Tragödie. Ein Feuer brach in den königlichen Gemächern aus. Leider verloren alle bis auf König Jared das Leben.«
Wie günstig! , dachte Kiara. Catorils Leibwächter schien sich in seiner Haut eindeutig nicht wohl zu fühlen und verfolgte stirnrunzelnd jede Bewegung des Gesandten. Catorils feine Hände zitterten während seiner Worte nervös, und das Messer entfiel ihnen.
»Doch um von erfreulicheren Dingen zu sprechen, Euer Hoheit«, fuhr er fort und gewann seine Haltung wieder. »Ich bringe Euch Kunde von König Jared. Er lässt Euch einladen, Margolan als sein geschätzter Gast zu besuchen. Es wäre eine große Ehre, Euch zu empfangen.«
»Wie freundlich«, entgegnete Kiara. »Bedauerlicherweise muss ich bis zum Frühjahr ablehnen«, wich sie aus und wandte den Blick nicht von Catoril ab. »Es finden religiöse Feiern hier in Isencroft statt, denen die erstgeborene Tochter des Königs vorsitzen muss. Es würde meinem Vater Unannehmlichkeiten bereiten, wenn ich mein Amt nicht ausübte, und unser Volk beleidigen, wenn ich in dieser Zeit das Königreich verließe.«
»Das wird König Jared wirklich enttäuschen«, antwortete Catoril, und Kiara glaubte ein Glimmen der Nervosität hinter diesen eisig blauen Augen wahrzunehmen. »Er hatte gehofft, Euch Margolans Wintersonnwendfest zeigen zu können, das sehr beeindruckend ist.«
»Ich fühle mich geehrt«, erwiderte Kiara, »aber ich muss mich den Wünschen meines Volkes fügen.«
»Unsere Prinzessin spielt eine wichtige Rolle in unseren eigenen Festivitäten zur Sonnenwende«, ergänzte Allestyr. »Die Frömmigkeit unseres Volkes ist groß«, erklärte er, wobei er Catoril bedeutungsvoll anblickte. »Ihr wisst, dass Chenne Kiara auf dem Schlachtfeld erschienen ist und ihr ihren Segen gegeben hat. Es gibt nichts, was das Volk von Isencroft nicht für seine Prinzessin tun würde.«
Falls Catoril die verschleierte Warnung des Seneschalls zur Kenntnis genommen hatte, so zeigte es sich nicht in seiner ausdruckslosen Miene. »Tatsächlich«, murmelte der Gesandte. »Unsere Bräuche unterscheiden sich ein bisschen, doch respektiert König Jared Isencrofts Hingabe an die Göttin. Wir werden einen Frühjahrsbesuch planen und die Gelegenheit ergreifen, der Prinzessin zu zeigen, wie schön Margolan in der Zeit der Blüte ist.«
»Ihr seid sehr gütig«, antwortete Kiara mit einem unguten Gefühl. Für den Augenblick war sie der Einladung entgangen, aber sobald der Frühling da war, würde es doppelt so schwierig werden. Ihr blieben fast neun Monate, um sich einen neuen Plan zurechtzulegen, sagte sie sich, und merkte, dass ihr jeglicher Appetit vergangen war, als die Diener ihr unberührtes Schneidebrett abtrugen und ein neues mit dampfendem Wildbret vor sie stellten. Bis zum Frühling war es noch lang.
Und so verging der Tag. Jede Seite erforschte die andere in einer Konversation, die angenehm und harmlos schien. Als Kiara sich endlich entschuldigen konnte und ihre Diener angewiesen hatte, die Gäste für die Nachtruhe bereit zu machen, begab sie sich, erschöpft von der Heuchelei, in ihre eigenen Gemächer, wo sie von Malae begierig erwartet wurde.
»Nun, meine Herrin, wie ist es gelaufen?«, erkundigte sie sich, als sie Kiara half, ihr Kleid abzulegen.
Kiara seufzte. »Wir haben die Reise erneut aufgeschoben, aber ich befürchte, dass mir irgendwann die Ausreden ausgehen.«
Malae schnalzte mit der Zunge. »Ihr habt Zeit gewonnen, Euer Hoheit; das allein ist schon viel wert. Jetzt müsst Ihr auf Cam und Carina vertrauen. Ihr tut Eure Pflicht, indem Ihr ihnen mehr Zeit verschafft«, sagte die ältere Frau sanft und tätschelte Kiaras Hand. »Und wer weiß? Bis der Frühling anbricht, hat die Göttin Euch vielleicht für Eure Reise
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