Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
getreuesten Soldaten ihres Vaters. Sie hatte nach den beiden geschickt und ihnen bestellen lassen, sich für eine nächtliche Reise auszurüsten und sie um die zwölfte Stunde in den Stallungen zu treffen. Sie stellte fest, dass sie ihre Anweisungen wörtlich befolgt hatten und für eine lange und gefährliche Reise bereit waren.
»Danke, dass ihr gekommen seid«, sagte sie und schwang sich in den Sattel. »Ich muss mit einem dringenden Ansinnen zum Orakel. Reitet mit mir zum Tempel; vielleicht hat Sie eine Botschaft für uns.«
Beide Männer verneigten sich. »Wie Ihr wünscht, meine Prinzessin«, sagte Rall. »Wir werden Euch begleiten, wo immer Ihr hingeht und solange Ihr uns braucht.«
Selbst zu dieser Stunde gab es Reisende, die die Palastanlagen verließen. Da Kiara nicht wollte, dass ihre Queste oder ihre Abwesenheit Aufmerksamkeit auf sich zogen, schlüpfte sie kommentarlos an den Wachen vorbei, indem sie sich so lange an eine andere Gruppe anhängte, bis sie die Tore hinter sich gelassen hatte. Sobald sie außer Sicht der Palastmauern waren, trieb sie ihr Pferd in Richtung des Tempels des Orakels an.
Der Tempel des Orakels schmiegte sich nahe beim Fluss, wo die Bäume auseinandertraten und den offenen Himmel einrahmten, an den Waldrand. Der weiße Marmor glänzte im Mondlicht; im Teich vor dem Heiligtum spiegelten sich die Sterne und die Altarfeuer wider. Auf drei Seiten umringte ein Hohlwegschrein der Göttin den Tempel, Monument wie Schutz gleichermaßen. Steinerne Denkmäler auf der Lichtung hoben sich silhouettenhaft gegen den nächtlichen Himmel ab – Huldigung an militärische Helden, die sich Chennes Gunst erfreuten.
Der Tempel war ruhig, als Kiara ihr Pferd an einen Baum band und auf die marmorne Abstufung trat. Mit einer Handbewegung bedeutete sie Rall und Hastard, bei den Pferden zu warten, und ging den Pfad zur Grotte hinab, vorbei an den Käfigen der Falken, wobei die Chenne der Kriegerin heiligen Vögel aufgeregt flatterten und kreischten. »Tja, kommen gehört hat man uns jetzt bestimmt«, murmelte Kiara Jae zu, der die Falken beäugte und sich damit einen leichten, warnenden Ruck an den Riemen einhandelte. Der kleine Drache zischte enttäuscht und ließ sich wieder auf Kiaras Schulter nieder, wo er den Kopf hin und her drehte und nach anderen nächtlichen Leckerbissen Ausschau hielt.
Kiara sah zum Altar hin und blieb stehen. Eine weiß gewandete Frau, die aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien, stand direkt hinter dem Feuer. Das Orakel! , dachte Kiara und schluckte, dann holte sie tief Luft und ging näher heran.
»Verzeiht, Priesterin, dass ich Euch in der Nacht störe«, begann Kiara und war sich nicht sicher, wie sie fortfahren sollte. »Ich bin Kiara vom Hause Sharsequin; ich –«
»Ich weiß, wer du bist«, unterbrach die Frau in der Kapuzenkutte sie. »Warum suchst du die Göttin auf?«
»Ich bin gekommen, um für die Gesundheit meines Vaters zu beten«, antwortete Kiara und hoffte, dass ihr Mut sie nicht verließ. Sie hielt kurz inne. »Und um die Lady zu fragen, wie unser Königreich gerettet werden kann.«
Die Priesterin nickte wissend. »Dein Vater liegt im Sterben«, erwiderte sie sachlich. »Doch die Krankheit ist magiegemacht.«
»Wir haben erkannt, dass ein dunkler Magier die Krankheit geschickt hat«, sagte Kiara.
Wieder nickte die Priesterin. »Ihr habt eure beste Heilerin ausgeschickt, ein Heilmittel zu finden, ist das richtig?«
»Jawohl, Mylady. Aber es wird einige Zeit dauern, bevor sie zurückkehrt –«
»Die Schwesternschaft kann helfen, den Tod deines Vaters hinauszuzögern, doch um den Zauberbann zu brechen, müsst ihr denjenigen vernichten, der ihn verhängt hat.«
»Euer Exzellenz, wir haben keine Magier von solcher Macht!«
»Bann wie Lösung kommen aus Margolan«, antwortete die Priesterin. »Die dunkle Hand, die den Zauberspruch gewirkt, wie auch Er, Der Wiederherstellen Kann.« Sie verfiel in einen singsangartigen Rhythmus, während sie sich in Trance wiegte, körperlos unter ihren Gewändern. »Dein Pfad verläuft in andere Richtung. Wenn du dein Königreich zu retten wünschst, dann musst du andere deinen Vater retten lassen.« Das Orakel hielt kurz inne. »Du musst deine Rolle spielen bei der Vernichtung dessen, der den Zauber gewirkt hat. Was du suchst, kann in der Bibliothek in Westmark gefunden werden. Die Zeit deiner Reise ist gekommen. Du musst nach Westmark gehen.«
»Nach Westmark!«, schnappte Kiara nach Luft. »Aber das existiert
Weitere Kostenlose Bücher