Im Bann des Nekromanten: Die Chroniken des Beschwörers - 1. Roman (German Edition)
Erlasses. »Gehe zum Orakel in Chennes Tempel. Was die Seherin dir auch sagt, du musst es tun, selbst wenn es bedeutet, zu deiner Reise aufzubrechen.«
»Aber Vater!«, verwunderte sich Kiara mit großen Augen. »Du hast doch noch nie etwas für das Orakel übrig gehabt!«
König Donelans Miene war hart, als er die Proteste seiner Tochter mit einem Kopfschütteln zum Verstummen brachte. »Kein ›Aber‹! Wenn es bedeutet, dass du den Palast verlassen musst, dann ist es eben das, was du tun musst. Wenn es bedeutet, dass du Isencroft verlassen musst, dann soll es so sein. Wenn dies die Zeit für deine Reise ist, dann wirst du sie ohne Proteste antreten. Tice und Allestyr haben das Königreich am Laufen gehalten, wenn ich unterwegs auf Feldzügen war, lange bevor du geboren warst. Sie sind nicht so alt, dass sie es nicht wieder tun können, wenn dies der Wunsch der Göttin ist.«
Als sie die Entschlossenheit in seinen Augen sah, schluckte Kiara und nickte. »Jawohl, Vater«, antwortete sie und ließ den Blick wieder sinken. Der König streckte die Hand aus und hob mit der Fingerspitze ihr Kinn an, sodass sie ihm in die blauen Augen blickte.
»Kiara, du bist sehr tapfer. Die Göttin ist nicht zu dir gekommen, weil sie will, dass die Krankheit eines alten Mannes dich in einem Palast gefangen hält. Vom ersten Moment an, als ich dich in meinen Armen hielt, wusste ich, dass du zu einem großen Zweck geboren wurdest. Vielleicht ist dies deine Zeit.«
Kiara nickte, und alle Tränen waren verschwunden; fest umfasste sie seine Hand. »Ich werde tun, was du verlangst, Vater. Noch heute Nacht gehe ich.«
»So ist es schon besser.« Er fing wieder an zu husten und griff nach seinem Wein. »Und jetzt überlasse mich meinen Arzneien, mein Liebes. Und lass dir ein besseres Frühstück bereiten als das bisschen Obst, in dem du jeden Morgen herumstocherst!« Er lächelte, als er ihre Überraschung sah. »O ja, mein Liebes: Der König weiß sogar das.« Er winkte sie sanft fort. »Und jetzt geh! Ich fühle ein Nickerchen nahen.« Er sah ihr zu, als sie zur Tür ging. »Kiara«, rief er ihr nach, als sie sie öffnete, und sie drehte sich noch einmal um.
»Vertraue der Göttin!«
KAPITEL ZWÖLF
I n dieser Nacht, als der Mond voll war, brach Kiara auf. Jae holte sie ein, als sie die Stallungen erreichte, setzte sich auf ihre Schulter und zischte fragend, als sie ihr Pferd fertig machte. Sie langte hinauf und kraulte ihm die Schuppen unterm Haubenansatz.
Das Pferd, das sie sich ausgesucht hatte – ein nachtblauer Hengst – wieherte. Dieselbe Intuition, die für die Wahl des Schlachtrosses bestimmend gewesen war, ließ sie sich auch für einen für eine lange Reise geeigneten Sattel entscheiden, obwohl das Orakel vom Palast nur einen Kerzenabschnitt zu Pferde entfernt war.
Sie ließ ein Briefchen für Malae zurück, in dem sie ihr von ihrer Reise zum Orakel erzählte, und fügte eine Notiz für Tice hinzu, die ihn und Allestyr bevollmächtigte, bis zu ihrer Rückkehr die Regentschaft an ihrer statt auszuüben. Schwerlich eine Mitteilung, die man bei einem kurzen Ausritt zurücklässt, dachte sie, während sie die Sattelriemen festzog. Andererseits fühlten sich Prinzessinnen, selbst in Isencroft, auch nur selten bemüßigt, mitten in der Nacht fortzugehen.
Kiara nahm sich eine Satteltasche und überprüfte noch einmal ihre Sachen. Ihr Schwert und ihre Gürteldolche hingen an ihrer Seite; sie trug ihr schmucklosestes Reitzeug und ihre bequemsten Stiefel, dazu einen schweren Mantel. Tief in ihren Sachen steckte ein Ring mit dem königlichen Siegel, der jede Grenze in Isencroft öffnen und jede Diskussion beenden würde.
Unter ihrem Reitmantel schützte das leichte Lederpanzermieder ihren Körper, das sie immer trug, wenn sie sich über das Palastgelände hinauswagte. Wäre sie eitler gewesen, hätte es sie vielleicht gestört, dass dieses Kleidungsstück nichts für ihre Figur tat, doch im Augenblick, als sie ihr langes Haar zu einem Knoten drehte und im Genick befestigte, war sie froh, dass sie selten großes Aufheben von solchen Dingen machte. Andernfalls wäre ich jetzt bestimmt angewidert, denn vermutlich gleiche ich momentan mehr einer Söldnerin als einer Prinzessin.
»Euer Hoheit!«
Kiara blickte sich nach der Stimme um, die aus dem Schatten kam. Rall, der Kämpe der verstorbenen Königin, führte sein Pferd in den kleinen Lichtkreis, den die Laterne warf. »Wir sind da.« Bei ihm war Hastard, ein anderer der
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