Im Bann des roten Mondes
bereit war, seinen Machtansprüchen nachzugeben. Für einen Augenblick überlegte sie sogar, ob es wirklich ein so guter Plan war, zu heiraten. Auch wenn Philippe ein moderner, sehr toleranter Mann war, einen großen Teil ihrer Freiheit würde sie durch die Hochzeit auf jeden Fall einbüßen. Was, um alles in der Welt, unterschied sie dann noch von diesen rabenschwarzen weiblichen Unglücksvögeln, die durch die Gassen der Stadt huschten, um schnell hinter einer der Türen zu verschwinden, die die dicken hohen Mauern verschlossen, hinter denen sie gefangen waren? Gefangen von einer Männerwelt, die auf diese Weise ihre Macht ausspielte. War das wirklich der gleiche Philippe, in den sie sich in Paris verliebt hatte?
Der Duft des in Honig gebackenen Hühnchens stieg ihr in die Nase. Seufzend erhob sie sich, um sich mit schleppendem Schritt zum Tisch zu begeben. Sie setzte sich, warf den Kopf in den Nacken und betrachtete Philippe unter gesenkten Lidern. Keineswegs würde sie zugeben, dass sie der Hunger an Philippes Tisch getrieben hatte. Und da sie sich lange mit den antiken Griechen beschäftigt hatte, wusste sie auch, was Diplomatie war. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen, und ihr Blick wurde eine Spur verführerisch.
»Du bist ein starker Mann«, sagte sie. »Dir kann ich einfach nicht widerstehen.«
Philippe ließ sich beim Essen nicht stören. »Schön, dass du wieder vernünftig geworden bist. Koste mal von dem köstlichen Ingwergemüse.« Für ihn schien sich die ganze Angelegenheit erledigt zu haben.
Désirée beschäftigte sich intensiv mit ihrem Essen, probierte die verschiedenen Gemüsesorten, knabberte an dem gebackenen Hähnchen und nippte dazu von einem vorzüglichen Bordeaux.
»Allein schon wegen des Weins würde ich niemals zum Islam übertreten«, sagte sie.
»Ich muss dir Recht geben. Mittlerweile werden hier fast bessere Weine angeboten als daheim.«
Nachdem sie ihr Mahl beendet hatten, kuschelten sie sich zusammen auf den Diwan, neben sich den Rest des Bordeaux, und teilten sich die Wasserpfeife. Während sie abwechselnd den gereinigten Tabakrauch aus dem Mundstück sogen und beim Schein einer orientalischen Öllampe die gluckernden Blasen in dem Glasbehälter beobachteten, breitete sich in Désirée plötzlich eine tiefe Friedfertigkeit aus. Jetzt wusste sie, wie sie ihren Plan verwirklichen konnte. Sie lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Du hast Recht, Philippe, es war keine gute Idee, nach Vater suchen zu wollen«, sagte sie nachdenklich. »Du wirst verstehen, dass ich mir um ihn Sorgen mache. Aber es ist wahrscheinlich leichter, ein Sandkorn in der Wüste zu finden als ihn, zumal er sich ja trefflich wie die Einheimischen zu kleiden weiß.«
Philippe nickte. »Gut, dass du es einsiehst. Ich verspreche dir, dass ich mich darum kümmern werde.«
»Danke!« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Und ich verspreche dir, nach Marseille zurückzukehren. Allerdings, da ich nun schon mal die lange Seereise gemacht habe, würde ich mir gern noch ein, zwei Tage Algier anschauen.«
»Es tut mir Leid, chérie, aber dazu habe ich keine Zeit. Spätestens morgen früh muss ich in die Mine zurückkehren. Deshalb fände ich es besser, wenn ich dich noch zum Hafen bringen könnte.«
»Nun, ich glaube, in Algier brauche ich keine männliche Begleitung, schließlich herrschen hier ja französische Verhältnisse. Niemand würde es wagen, mir etwas anzutun. Aber du kannst mir ja die Schiffspassage besorgen, damit du beruhigt bist.« Ihre Hand fuhr spielerisch durch sein Haar. Sie wusste, dass sie ihn auf diese Weise besänftigen konnte.
Trotzdem richtete er sich etwas auf und schaute sie prüfend an.
»Ich möchte mir irgendetwas Hübsches als Andenken kaufen«, sagte sie mit einem koketten Augenaufschlag. »Es gibt so wunderschöne Tücher und Stoffe, vielleicht auch eine kleine Wasserpfeife.«
»Hast du nicht schon eine ganze Sammlung daheim?«
»Sicher, aber noch keine aus Algerien.«
»Ich bin beruhigt, dass du doch wie alle anderen Frauen bist. Frauen kaufen gern schöne Dinge.«
»Hast du je daran gezweifelt?«, fragte sie und knabberte an seinem Ohrläppchen.
Er lachte auf. »Eigentlich nicht.« Er legte den Schlauch der Pfeife beiseite und schlang seine Arme um sie. »Und wenn du schon einmal da bist, hätte ich auch gern ein kleines Andenken von dir.«
»Oh, du kannst ein großes Andenken von mir bekommen. Ich schenke dir die ganze Nacht!«
V
Philippe half ihr noch, das
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