Im Bann des stolzen Wuestenprinzen
sicher, dass Amir deshalb so wenig Zeit wie möglich hier im Zelt verbrachte.
Dennoch war es Amir, um den sich ihre Gedanken die meiste Zeit des Tages drehten und der auch ihre Träume beherrschte. Wenn er dann hier war, beschleunigte sich ihr Puls, und wenn er sie ansah, spürte sie jedes Mal ein Flattern in ihrem Unterleib.
„Nein, ich bin keine Tänzerin.“ Nicht nur fehlte ihr das Talent dazu, sie hatte auch nicht die passende Figur. Ihre Kurven waren einfach zu üppig. Nur würde sie Amir jetzt nicht darauf aufmerksam machen. Schlimm genug, dass er sie eben in dem Kostüm gesehen hatte.
„Es sah aus, als würden Sie Dehnungsübungen machen.“ Er stand direkt vor ihr, und sie sah in sein Gesicht auf.
Eine gleißende Intensität durchzuckte sie, und jedes Mal, wenn er sie ansah, wuchs diese verstörende Reaktion. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht merkte, was in ihr vorging.
„Früher einmal habe ich getanzt, jetzt nicht mehr. Ich habe nur ein paar Yogaübungen gemacht. Ich muss etwas tun, um mir die Zeit zu vertreiben. Ich werde sonst noch verrückt.“
Bücher oder Zeitungen in englischer Sprache gab es hier nicht, die Tage zogen sich endlos in die Länge. Cassie hatte lange Briefe an ihre Freunde geschrieben. Das Papier hatte Amir ihr besorgt, und die Briefe würde sie einsenden, sobald sie von hier wegkam. Heute hatte sie sich dabei erwischt, wie sie die Teppichtroddeln zählte …
Langsam aber sicher bekam sie einen Zeltkoller. War es da verwunderlich, dass sie ständig an Amir dachte?
Das Schweigen dehnte sich.
„Ich bin Schauspielerin“, sprudelte sie heraus, nur um das Schweigen zu brechen. „Da muss man fit bleiben. Sie wären überrascht, wie viel Energie die Schauspielerei einem abverlangt.“ Außerdem musste sie auf ihre Figur achten. Bei ihrer Schwäche für Schokolade war Sport eine unerlässliche Notwendigkeit.
„Schauspielerin?“ Er zog eine Braue in die Höhe. „Was sagen Ihre Eltern dazu?“
Fast hätte sie über seine entsetzte Reaktion gelächelt. „Das ist ein ehrbarer Beruf.“ Als er nichts sagte, zuckte sie mit den Schultern. „Ich habe keine Eltern mehr. Meine Mutter starb im letzten Jahr.“
„Mein Beileid.“ Er schwieg eine Weile. „Dann haben Sie Ihren Vater wohl noch früher verloren.“
Sie hätte jetzt zustimmen und damit das Gespräch beenden können, doch bei seiner mitfühlenden Miene erstarb ihr die Lüge auf den Lippen. Ihr Leben lang hatte sie die Kunst perfektioniert, ihr Privatleben unter Verschluss und ihre Gedanken für sich zu behalten. Doch etwas an diesem Mann brachte sie dazu, alle möglichen Dinge auszuplaudern. Wie in der Nacht, als sie ihm ihre Ängste gestanden und sich geradezu lächerlich getröstet von seiner Gegenwart gefühlt hatte.
„Mein Vater und ich …“, sie starrte auf einen Punkt hinter Amirs Schultern. „Wir haben uns entfremdet.“ Das war höflich ausgedrückt. Ihr Vater hatte nie etwas mit ihr zu tun haben wollen.
„Aber er hat Ihnen gegenüber eine Verpflichtung. Er muss sich um Sie kümmern.“
Steif wandte Cassie sich ab und ließ sich auf einem der Sitzkissen nieder.
„Cassie?“
Sie sah zu ihm hin. Als er ins Zelt gekommen war, hatte er müde und abgespannt ausgesehen, und sie hatte alles nur noch schlimmer gemacht.
„Das ist schon so lange her.“ Sie nahm eine getrocknete Aprikose von dem irdenen Teller, der auf dem niedrigen Tisch stand.
Mit einer ebenso flinken wie geschmeidigen Bewegung ließ Amir sich neben ihr nieder. Sein Knie stieß an ihren Schenkel, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht von ihm abzurücken. Denn dann hätte er sofort gewusst, welche Wirkung seine Nähe auf sie ausübte.
„Erzählen Sie es mir.“
Cassie sah auf die Aprikose in ihrer Hand und wusste, die Frucht würde jetzt nur sauer schmecken. Sie legte sie wieder ab. „Die Vorstellung meines Vaters, wie er sich um mich zu kümmern hatte, war, mich in ein Internat zu schicken.“
„Er wollte Ihnen eine gute Ausbildung bieten.“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Er konnte mich nicht schnell genug loswerden. Ich war ein Störfaktor.“
Schweigend nahm Amir die abgelegte Aprikose und biss hinein. Vergeblich versuchte Cassie, nicht auf seinen Mund zu starren. Ob seine Lippen so weich waren, wie sie aussahen?
„Männer sind allgemein nicht sehr gut darin, Emotionen zu zeigen.“
Sie lachte bitter auf und verstummte sofort wieder. Doch in dem Laut war all der Schmerz zu hören gewesen, von dem sie geglaubt
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