Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
verfehlt hatte. »Hör zu, ich buche gleich, wenn wir aufgelegt haben, einen Rückflug für dich, Mac. Pack deine Sachen und fahr zum Flughafen. Über alles andere brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Du musst nicht einmal in deinem Hotel auschecken. Ich kümmere mich telefonisch darum, dass alle Rechnungen beglichen werden. Hast du mich verstanden? Ich rufe dich auf dem Handy an und sag dir Bescheid, wann dein Flugzeug geht. Pack deine Sachen und fahr los. Hast du gehört ?«
Ich starrte aus dem Fenster. Regen hatte eingesetzt. Da war sie – die Lüge, die er nicht aussprechen konnte. Wären Alina und ich nicht adoptiert, hätte Dad meine Frage, ohne zu zögern, verneint. Er hätte wahrscheinlich gelacht und gesagt: »Selbstverständlich haben wir euch nicht adoptiert, Dummerchen.« Und wir beide hätten uns darüber amüsiert, dass ich auf so dämliche Gedanken komme. Aber er konnte nicht so antworten. »Guter Gott, Daddy, wer bin ich?« Jetzt war meine Stimme nur noch ein Krächzen.
»Meine Tochter«, erwiderte er vehement. »Das bist du. Rainey und Jack Lanes kleines Mädchen!«
Aber das stimmte nicht. Ich war nicht ihr leibliches Kind. Wir wussten das beide. Und ich schätze, irgendwie hatte ich das immer geahnt.
1. Es gibt Feen.
2. Vampire sind real.
3. Ein Gangsterboss und fünfzehn seiner Handlanger sind meinetwegen gestorben.
4. Ich bin adoptiert worden.
Ich sah auf das Tagebuch, das bald voll sein würde, und achtete nicht darauf, dass Tränen darauf tropften und das Geschriebene verwischten.
Von den vier Punkten, die ich notiert hatte, konnte mich nur einer von den Füßen reißen. Mit allem anderen konnte ich mich irgendwie abfinden, nur eben mit dem einen nicht.
Meine Eltern haben mich adoptiert.
Mit Feenwesen, Vampiren und dem Blut an meinen Händen könnte ich leben, solange ich stolz und aufrichtig sagen könnte: Ich bin MacKayla Lane, Tochter der Frye-Lanes aus Ashford, Georgia. Und ich trage dasselbe genetische Muster in mir wie alle in meiner Familie. Wir sind Sandkuchen mit Schokoladeglasur, wir alle – von meinen Urgroßeltern bis hin zum kleinsten Kind. Ich bin genau so. Ich gehöre dazu.
Man ahnt nicht, wie wichtig das ist, wie beruhigend, bis man diese Sicherheit verliert. Bis zu diesem Moment hatte mich mein ganzes Leben lang eine warme, beschützende Decke eingehüllt, die von Tanten und Onkeln, Cousinen und Cousins ersten, zweiten, dritten Grades, Großeltern und Urgroßeltern fest gewoben wurde.
Diese Decke war von mir abgefallen. Ich fühlte mich verloren und allein in der Kälte.
O’Connor, so hatte mich die alte Frau angesprochen und behauptet, ich hätte die Haut und die Augen der O’Connors. Sie hatte einen Namen erwähnt, einen eigenartigenNamen: Patrona. War ich eine O’Connor? Hatte ich Verwandte in Irland? Warum hatten sie mich nicht behalten? Wieso haben sie mich und Alina weggegeben? Wie hatten Mom und Dad uns bekommen? Wann? Und wie war es gelungen, dass all meine redseligen, geschwätzigen, klatschsüchtigen Tanten, Onkel und Großeltern eisern geschwiegen hatten? Nicht einer aus der Familie hatte sich jemals verplappert. Wie alt waren wir bei der Adoption? Ich muss gerade erst geboren gewesen sein, denn ich hatte keinerlei Erinnerung an ein anderes Leben und Alina hatte auch nie etwas erwähnt. Da sie zwei Jahre älter als ich gewesen war, hätte sie diejenige sein müssen, der noch etwas anderes im Gedächtnis haften geblieben war. Oder waren ihre Erinnerungen an das andere Leben von all dem Neuen überlagert und mit der Zeit vollkommen verdrängt worden?
Ich wurde adoptiert. Dieser Gedanke wirbelte wie ein Tornado durch meinen Kopf und dennoch war das noch nicht das Schlimmste.
Das, was mich wirklich tief traf und nicht mehr losließ, war das Bewusstsein, dass die einzige Person, mit der ich wirklich verwandt war, nicht mehr lebte. Meine Schwester. Alina. Meine einzige Blutsverwandte war tot.
Eine schreckliche Vorstellung plagte mich: Hatte Alina davon gewusst? Hatte sie herausgefunden, dass wir adoptiert wurden, und mir nichts davon gesagt? Hatte sie das gemeint, als sie sagte: Es gibt so viele Dinge, die ich dir hätte erzählen sollen?
Hatte sie hier in Dublin gesessen wie ich gerade jetzt und sich genauso durcheinander und entwurzelt gefühlt?
»O Gott«, sagte ich und schluchzte hemmungslos. Ich weinte um mich, um meine Schwester, um all die Dinge, die ich nicht in Worte fassen und wahrscheinlich niemals erklären konnte. Ich
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