Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
halb vergraben unter dem Abfall, entdeckte. Es sah aus wie das, das ich bei Mallucé zurückgelassen hatte, nur war bei diesem hier der goldene Stoff verschlissen, vom Regen durchweicht und von der Sonne ausgebleicht. Ich schob die alten Zeitungen beiseite, hob das Täschchen auf und hielt es liebevoll in den Händen.
Ich weiß, was Sie jetzt denken. Ich kam auch auf den Gedanken, dass es einen Hinweis enthielt. Dass Alina einen geschickt ausgewählten Auszug aus ihrem Tagebuch oder einen kleinen Computer-Chip, der alle Informationen enthielt, die ich brauchte, in das Täschchen gesteckt hatte. Und dass die Dubliner Polizei diesen wertvollen Hinweis rätselhafterweise übersehen und mich der Zufall genau im richtigen Moment in diese Gasse geführt hatte.
Das Leben ist selten so praktisch, wie es Barrons ausdrücken würde. Ich würde sagen, wir haben alle zu viele Filme gesehen.
In dem Täschchen waren nur die Sachen, die Mom für uns ausgesucht hatte. Lediglich die kleine Nagelfeile fehlte. Nichts war im Futter, in der Puderdose oder im Lippenstift versteckt. Ich weiß das, weil ich alles auseinandernahm, um nachzusehen.
Ich werde Sie nicht mit dem, was mir, während ich an dieser Stelle saß, durch den Kopf ging, mit meinen Gedanken an Alina oder meiner Trauer belästigen. Wenn Sie jemals einen heißgeliebten Menschen verloren haben, dann wissen Sie, wie man in solchen Augenblicken empfindet, und müssen nicht von mir daran erinnert werden. Und fallsSie noch nie um jemanden getrauert haben – gut; ich hoffe, es vergeht noch eine Ewigkeit, bevor Sie diese Erfahrung machen müssen.
Ich nahm Abschied und sagte Hallo und als ich mich aufstützte, um aufzustehen, fiel mir ein silbrig glänzendes Metall, das neben meinem Fuß lag, ins Auge. Es war die Spitze von Alinas Nagelfeile, sehr zerkratzt und verbeult. Ich bückte mich und schob den Abfall beiseite, um die Feile aufzuheben, weil ich kein Stückchen von Alina zurücklassen wollte. Ich sog scharf die Luft ein und starrte fassungslos auf die Feile.
Ich hatte mich die ganze Zeit mit der Hoffnung getröstet, dass Alina schnell gestorben war. Dass sie nicht in dieser Gasse gelegen hatte und langsam verblutet war. Aber so schnell konnte sie nicht gestorben sein, denn sie hatte mit der Feile etwas in den Stein geritzt.
Ich kniete mich aufs Pflaster, wischte den Dreck fort und blies den Staub und den Ruß weg.
Ich war enttäuscht und gleichzeitig dankbar, dass sie nicht mehr geschrieben hatte. Enttäuscht, weil ich mehr Hilfe gebraucht hätte. Dankbar, weil es mir zeigte, dass sie innerhalb von Minuten, nicht erst nach Stunden gestorben war.
1247 L A R UHE , J R ., stand auf dem Stein.
Einundzwanzig
»Inspector O’Duffy, bitte«, sagte ich energisch. Ich war direkt zum Telefon gerannt, nachdem ich in B ARRONS B OOKS AND B AUBLES angekommen war, und hatte die Nummer des Polizeipräsidiums in der Pearse Street gewählt. »Ja, ja, ich bleibe dran.« Ich trommelte mit den Fingern ungeduldig auf die Ladentheke, während ich wartete, dass mich der diensthabende Officer mit dem Detective verband, der die Ermittlungen in Alinas Mordfall geleitet hatte. Ich hatte eine weitere Spur für ihn, und diese war in Stein geritzt: 1247 LaRuhe. Ich würde ihn zu dieser Adresse begleiten, wenn er hinfuhr, und falls er mir das nicht gestattete, würde ich ihm einfach folgen. Sicherlich hatte ich, nachdem ich in letzter Zeit Erfahrung in diesen Dingen gesammelt hatte, einiges Geschick entwickelt, mich relativ unauffällig zu verhalten.
»Ja, Miss Lane?« Der Detective klang gehetzt, als er sich meldete, also erklärte ich ihm rasch, wo ich gewesen war und was ich dort gefunden hatte. »Wir haben das bereits überprüft«, sagte er, als ich fertig war.
»Wer hat was überprüft?«, fragte ich.
»Wir – die Adresse«, sagte er. »Erstens gibt es keinen Beweis, dass sie das in den Stein geritzt hat. Jeder hätte …«
»Inspector, Alina hat mich ›Junior‹ genannt«, fiel ich ihm ins Wort. »Und ihre zerkratzte, verbeulte Feile lag nebendem Stein. Auch wenn Sie nicht wussten, was ›Jr.‹ bedeutet, erstaunt es mich doch, dass keiner Ihrer Leute die Feile gefunden und eins und eins zusammengezählt hat.« Ganz zu schweigen von dem Kosmetiktäschchen. Hatten die Cops den Fundort überhaupt untersucht?
»Wir haben die Schrift in dem Stein gesehen, Miss Lane, aber als wir von dem Leichenfund unterrichtet wurden, hatten sich schon jede Menge Schaulustige dort herumgetrieben und
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