Im Bann des Vampirs: Fever Saga 1 (German Edition)
beigebracht. Am nächsten Tag war Pesach und die Juden wollten die Kreuzigungsopfer nicht an ihrem heiligen Feiertag zur Schau stellen. Sie baten Pilatus, ihren Tod rasch herbeizuführen, damit sie sie vom Kreuz nehmen konnten. Normalerweise«, erklärte Barrons weiter, »dauerte der Todeskampf bei einer Kreuzigung mehrere Tage. Die Soldaten brachen den beiden Männern, die neben Jesus am Kreuz hingen, die Beine, so dass sie sich nicht mehr aufrecht halten konnten und keine Luft mehr bekamen. Sie erstickten schnell. Jesus hingegen schien schon gestorben zu sein, undstatt ihm auch die Beine zu brechen, stieß ihm einer der Soldaten den Speer in die Seite, um einen Beweis dafür zu haben. Perverserweise ist der sogenannte Speer des Longinus seither heißbegehrt, weil man ihm mystische Kräfte zuschreibt. Viele haben behauptet, die heilige Reliquie zu besitzen: Konstantin, Karl der Große, Otto der Große und Adolf Hitler, um nur einige zu nennen. Jeder Einzelne hielt ihn für die wahre Quelle seiner Macht.«
Ich betrat das hintere Foyer von Barrons’ Haus und schlug die Tür zu, dann drehte ich mich zu ihm um und sah ihn ungläubig an. »Habe ich das richtig verstanden? Wir sind gerade in die Schatzkammer eines Gangsterbosses eingebrochen, um das zu stehlen, was er für die wahre Quelle seiner Macht hält? Warum haben wir das getan?«
»Weil, Miss Lane, der Speer des Schicksals noch einen anderen Namen hat: Speer des Luin oder Luisne, der flammende Speer. Und er ist in Wahrheit keine römische Waffe – die Tuatha De Danaan haben ihn in diese Welt gebracht. Er ist ein Seelie-Heiligtum und eine der beiden einzigen Waffen, die ein Feenwesen töten können. Jedes Feenwesen. Gleich welcher Kaste. Man sagt, die Königin selbst fürchte diesen Speer. Wenn Sie wollen, rufe ich O’Bannion an und bringe in Erfahrung, ob er uns verzeiht, wenn wir ihn zurückgeben. Soll ich, Miss Lane?«
Ich packte den Speer ein wenig fester. »Dies hier könnte das vielmündige Monster töten?«
Er nickte.
»Und den Grauen Mann?«
Er nickte wieder.
»Die Jäger?«
Ein drittes Nicken.
»Sogar die königlichen Feen?« Ich wollte vollkommene Klarheit in diesem Punkt.
»Ja, Miss Lane.«
»Wirklich?«, hauchte ich.
»Wirklich.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Haben Sie einen Plan, wie wir mit O’Bannion umgehen sollen?«
Barrons streckte die Hand aus und knipste die helle Deckenleuchte im Vorraum an und die Außenlichter aus. Die Gasse hinter dem Fenster wurde dunkel. »Gehen Sie in Ihr Zimmer, Miss Lane, und kommen Sie auf keinen Fall heraus, bis ich Ihnen Bescheid gebe. Haben Sie das verstanden?«
Es kam nicht in Frage, dass ich tatenlos herumsaß und auf den Tod wartete, und das machte ich ihm auch klar. »Ich gehe nicht hinauf und hocke …«
»Sofort.«
Ich funkelte ihn an. Ich hasste es, wenn er mir mit seinen Befehlen ins Wort fiel. Aber eines konnte er sich gleich hinter die Ohren schreiben: Ich war nicht wie Fiona, die sich nach den Brosamen seiner Zuneigung bückte und bereit war, jede seiner Forderungen zu erfüllen, um ein bisschen Liebe zu bekommen. »Sie können mich nicht herumkommandieren wie F…« Diesmal war ich froh, als er mich unterbrach, sonst hätte ich verraten, dass ich gelauscht hatte.
»Gibt es einen anderen Ort, zu dem Sie gehen können, Miss Lane?«, erkundigte er sich kühl. »Ist es das?« Sein Lächeln jagte mir Schauer über den Rücken; es drückte die Zufriedenheit eines Mannes aus, der wusste, dass er eine Frau dort hatte, wo er sie haben wollte. »Wollen Sie zurück ins Clarin House und darauf hoffen, dass Mallucé nicht nach Ihnen sucht? Ich habe Neuigkeiten für Sie, Miss Lane: Sie könnten in einem See aus geweihtem Wasser schwimmen, ein Gewand aus Knoblauch tragen und eineEinladung so lautstark ausschlagen, wie Sie wollen – all das würde nicht einmal einen Vampir, der gerade erst ein reichliches Festmahl hinter sich hat, davon abhalten, über Sie herzufallen. Vielleicht möchten Sie es ja auch in einem anderen Hotel versuchen und beten, dass keiner der dort Angestellten auf O’Bannions Gehaltsliste steht. Nein, jetzt hab ich’s: Sie werden zurück nach Georgia fliegen. Schwebt Ihnen das vor? Ich hasse es, Ihnen das zu sagen, Miss Lane, aber dafür ist es ein bisschen zu spät.«
Ich wollte gar nicht wissen, warum es dafür zu spät war, ob er meinte, O’Bannion würde mich verfolgen oder ob die Goth-Sklaven mit dem Schlafzimmerblick den großen Teich überqueren würden, um
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