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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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verletzen können. Und er könnte es immer noch. Die Blackouts würden sich wiederholen, würden ihn überfallen, wenn er es nicht erwartete, und ihn unversehens aus dem Kreis seiner Lieben herausreißen.
    Er musste sie verlassen. Tat er es nicht, lief er Gefahr, den Menschen etwas anzutun, die er mehr als sein Leben liebte. Vielleicht würde er nächstes Mal im Schlaf nicht nur Lissas Hand zu fassen bekommen, sondern ihre Kehle.
    Eine Vorstellung, die ihn bis ins Innerste schaudern ließ. Wenn er nur hätte glauben können, nur einen Augenblick lang, dass er unschuldig war, aber er konnte es nicht. Die Beweise sprachen gegen ihn, aber nicht sie waren es, was ihn eigentlich überzeugte. Die Beweise waren nicht alles. Er selbst hatte viel mehr in der Hand. Er kannte sich, wusste von den dunklen, abwegigen Qualen seines Bewusstseins, wusste, dass er zu Gewalt fähig war, ohne dass ihm auch nur eine Andeutung davon im Gedächtnis geblieben wäre.
    Morgen würde er Ed Warbass ersuchen, ihn zu verhaften. Ihn hinter Gittern zu verwahren. Das war nicht viel, wie er wusste. Er verdiente etwas Härteres, etwas viel Schlimmeres. Aber mehr konnte er nicht tun. Es war die einzige Möglichkeit, für die Sicherheit seiner Lieben zu sorgen. Der einzige Weg auch, um die Gräueltat an den armen, unschuldigen Dwyers zu sühnen.
    Als er wieder auf die Knie fiel, nahm er die kalte Nässe des Bodens kaum wahr. Er spürte den Drang zu weinen quälend in der Brust, aber seine Augen blieben schmerzhaft trocken.
    Lissa, es tut mir Leid. Die Worte kreisten gleich einer Litanei schonungsloser Reuebekenntnisse in seinem Kopf. Mit jeder Wiederholung wurde ihm klarer, wie sinnlos und dumm die Rechtfertigung klang ... wie hohl. In den letzten Wochen hatte Lissa ihm Dinge gegeben, die er für längst vergangen gehalten hatte. Fast hatte er sogar schon geglaubt, er wäre doch kein Versager.
    Erinnerungen und Momente kristallisierten sich heraus und blieben wie glitzernde Glasscherben in seiner Seele haften. Lissa, die ihm das schweißfeuchte Haar aus den Augen strich, die seine Wange berührte und ihn durch die von Schmerz erfüllte Finsternis des nahenden Blackouts geleitete. Lissa, die auf der Veranda im großen Schaukelstuhl saß, mit Katie auf dem Schoß, wie sie Lettern in die kühle Nachtluft zeichnete. Lissa, nackt und rittlings auf ihm, wie sie sich für einen langsamen, tiefen Kuss über ihn beugte.
    Reue und Scham verflossen zu etwas Scharfem und Bitterem ganz hinten in seiner Kehle.
    Lieber Gott, wie schön es war, endlich Vater und Ehemann zu sein. Es war besser, als er es sich je vorgestellt hatte, und er hatte es sich ein Leben lang vorgestellt. Ungezählte Nächte hatte er auf seinem einsamen Lager auf dem Sofa gelegen, zur dunklen Decke gestarrt und sich nach der Einladung in einen liebevollen Kreis verzehrt, den es nur in seiner Vorstellung gab.
    Bis Lissa diesen Kreis hatte Wirklichkeit werden lassen. Sie hatte die Kinder zusammengeführt und ein starkes, dauerhaftes Band der Liebe geschaffen. Und, Wunder über Wunder, sie hatte ihm die Hand gereicht.
    Narr, der er war, hatte er sie ergriffen, festgehalten und an sein Herz geführt und sich in dem Glauben gewiegt...
    Dieses selbstsüchtige Tun hatte ihnen allen Schmerz bereitet. Er hatte die Mädchen und Lissa in dem Glauben gelassen, dass es den Kreis gäbe, und dann hatte er ihn zerrissen und war auf ihren Herzen herumgetrampelt. Mit jedem Atemzug, den er machte, sah er seinen Traum - ihren Traum - seinem Zugriff entgleiten, weil seine tauben, nutzlosen Finger ihn nicht festhalten konnten.
    Nie hätte er versuchen sollen, Vater und Ehemann zu sein. Er hatte versagt, und das Versagen hatte wie von ihm vorausgesehen das Entsetzliche verursacht. Dies und noch viel mehr. Sein Versagen war schlimmer, als wenn er es gar nicht versucht hätte. So aber hatte er alle enttäuscht und hinterließ ihnen nun die schmerzlichste aller Erinnerungen. Die Erinnerung an Glück.

Hewlett-Packard
    26
    Die Schulglocke läutete gemessen und melancholisch. Tess zog das Umschlagtuch fester um die Schultern und sah sich voller Unbehagen um.
    Tiefe Wolken glitten über den blassen, grünlich blauen Himmel und warfen dunkle, unheimliche Schatten. Zu beiden Seiten der Straße ragten gigantische Zedern bis zum Himmel auf. Tiefgrüne Äste raschelten leise im Wind.
    Der Hufschlag der automatisch dahintrottenden Pferde erklang auf dem harten Boden als gedämpftes, das Glockengeläut akzentuierendes Stakkato.

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