Im Bann seiner Küsse
aussichtsloser machte. Lautlos trat sie neben ihn und berührte seinen Arm. »Jack?«
Er fuhr jäh auf und entzog sich ihr. »Was zum Teufel willst du hier?«
Tess sah in seine Augen und fand ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Er war bereit, alles wieder fortzuwerfen und davonzulaufen. »Verdammt, Jack, tu es nicht. Geh nicht wieder zurück. Wir sind schon so weit gekommen.«
Er wurde blass. »Geh weg.«
»Jack, du kannst mich nicht mehr ausschließen. Ich lasse nicht...«
Er packte sie an den Schultern und riss sie an sich. Sie prallte so hart gegen seine Brust, dass ihr die Luft wegblieb. Ihr Kopf fiel zurück. Um Atem ringend sah sie zu ihm auf.
»Es ist vorbei, Lissa.« Schmerz verschleierte seine Augen und ließ seine Stimme krächzend und hart klingen. »Gib auf.«
Tess starrte ihn entsetzt an. Die Endgültigkeit dieses Augenblicks legte sich wie eine Schlinge um ihren Hals, die langsam zugezogen wurde. Unwiderruflich. »Nein«, sagte sie mit bebender, verzweifelter Stimme, die sie kaum erkannte. »Ich lasse nicht zu, dass du das tust.«
»Du hast keine andere Wahl.«
Tränen nahmen ihr die Sicht, als sie seine ruhigen und leise gesprochenen Worte hörte. Sie presste die Augen zu. Sie wollte nicht weinen. »Ich liebe dich, Jack.«
»Und ich liebe dich.« Er sagte es leise und mit so viel schmerzlicher Traurigkeit, dass Tess von seinen Worten wie von einem Schlag getroffen wurde.
Da wusste sie, dass die Liebe allein für Jack nicht genug war.
Am nächsten Morgen stand Tess am Küchentisch und zerdrückte Salz. Sie richtete den Blick so starr auf den weißen Haufen, dass das Salz schließlich zu einem verschwommenen Berg wurde. Sie sah, wie verkrampft ihre Finger das glatte Nudelholz hielten, aber es hätten die Hände einer Fremden sein können, so losgelöst von ihrem Körper fühlte sich Tess.
Sie fühlte sich ... körperlos, als hinke ihr Verstand ihrem Körper nach. Sie hatte Angst, große, verzweifelte Angst, und es bedurfte ihrer ganzen Selbstbeherrschung, um nicht in Tränen auszubrechen oder laut zu schreien.
Als sie am vergangenen Abend aus der Scheune zurückgekommen waren, war Jack so distanziert und kalt gewesen, dass sein Schweigen sie wie ein schmerzhafter Stich getroffen hatte.
Seite an Seite im Bett liegend, hatten sie sich berührt und waren doch nicht eins gewesen. Ihre langsamen, vermischten Atemzüge waren die einzigen Geräusche in der gespannten Stille, melancholisch und rhythmisch. Sie wartete, dass er sie küsste, und als sie endlich seine Lippen spürte, wünschte sie, er hätte es nicht getan. Der Kuss war traurig und bittersüß. Dann hatte er sie in die Arme genommen und festgehalten. Aber auch in seinen Armen hatte sie sich einsam und allein gefühlt, von zitternder Angst erfüllt.
»Gute Nacht«, hatte er geflüstert. Dann hatte er die Augen geschlossen und sich schlafend gestellt. Aber Tess hatte nur »Lebewohl« gehört.
Aufgeben kam für sie nicht in Frage. Gottlob hatten sie Zeit, ihre Liebe wiederzugewinnen und Jacks Angst zu bannen. Sie spürte, wie Hoffnung sich in ihr regte. Vielleicht war heute ein guter Tag für Wunder.
Das rumpelnde Quietschen eines schlecht gefederten Wagens drang durch das offene Küchenfenster und riss Tess aus ihren Gedanken. Sie legte das gerillte Nudelholz aus der Hand, wischte sich die Hände an der Schürze ab und ging hinaus.
Savannah stieß Katie an, die auf der Baumschaukel saß. Eine leichte Frühlingsbrise wehte ihr hohes, klares Lachen herüber.
Tess sah sich nach Jack um. Er stand auf der anderen Straßenseite, einen Fuß lässig auf die unterste Zaunplanke gestützt. Sein Hut saß tief über den Augen, wie um ihn vor zu viel Sonne zu schützen, aber der Tag war wolkig und kühl.
Eine Vorahnung regte sich in Tess' Magen. Da stimmte etwas nicht. Jack pflegte nicht mitten am Tag herumzustehen. Nachdenklich schob sie eine lockere Haarsträhne in den Nackenknoten, als sie näher ans Verandageländer trat und den Hals streckte, um sehen zu können, wer kam.
Der Wagen wirbelte eine Staubwolke auf, die den Kutscher einhüllte.
»Da kommt jemand!«, rief Katie und sprang von der Schaukel. Sie und Savannah stürmten über den Hof, polterten die Stufen hinauf und nahmen neben Tess Aufstellung.
»Was meinst du, wer da kommen könnte?«, fragte Savannah.
Tess konnte darauf keine Antwort geben. Geistesabwesend schüttelte sie den Kopf und zuckte mit den Achseln, während ihr Blick unverwandt an der rollenden Staubwolke
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