Im Bann seiner Küsse
Papier sein Herz ausgeschüttet hatte, da hatte er sich ... wie neu geboren gefühlt. Und doch war er nun hier, klammerte sich an die alten Ängste und ließ das alte Entsetzen wieder aufleben.
Wenn Lissa nun Recht hatte?, fragte eine leise innere Stimme. Wenn er nicht der Mörder war, musste es ein anderer sein. Jemand, der sicher nicht wollte, dass Lissa ihre Nase in die Ermittlungen steckte.
Nach einem tiefen Atemzug, dessen Beben seine Ängste verriet, öffnete er die Augen und sah, dass Lissa ihn noch immer voller Vertrauen anschaute.
Seine Hände fingen an zu zittern, erst langsam, dann stärker. Angst strömte in einer eiskalten Woge durch sein Blut.
Er kam sich vor wie ein Mensch am Rande eines schwarzen, bodenlosen Weihers, bereit, kopfüber in Gewässer zu tauchen, die tausend tödliche Schrecken bargen.
Als er seiner Frau in die Augen schaute, spürte er seine Liebe zu ihr so stark, dass ihm die Tränen kamen. »Du hast nie an mir gezweifelt?«
Tränen schimmerten in ihren Augen. »Und ich werde nie an dir zweifeln, Jack.«
Er schluckte mühsam. »Das fürchte ich.«
Sie lächelte. Es war ein langsam aufblühendes, bittersüßes Lächeln, das ihm das Herz brach. »Ich auch.«
Auf ihre leisen Worte hin, die voller Liebe, Vertrauen und Hoffnung waren, spürte Jack, wie der letzte Rest Widerstand dahinschmolz. Auch sie hatte Angst, und doch schritt sie vorwärts und glaubte. Immerzu glaubte sie.
Oh Gott, wie sehr er sich wünschte, so zu sein wie sie und glauben zu können. Nicht nur für sie, sondern für sie alle. Für sich, für sie, die Kinder, die sie jetzt hatten, und die Kinder, die sie noch bekommen würden.
Mit angehaltenem Atem tauchte er in die eisigen Gewässer des dunklen Weihers und hoffte inständig, sie würde zur Stelle sein, um ihn aufzufangen.
»Vielleicht...« Das Wort blieb ihm in der Kehle stecken. Er brachte es nur mit Mühe über die Lippen. »Vielleicht habe ich es nicht getan.«
Tess schlang die Arme um ihn und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. »Ich wusste ja, dass du es kannst!«
Er hielt sie ganz fest. Jahre voller Angst und Selbstzweifel fielen von ihm ab, aber er fühlte sich ohne den vertrauten Schutzpanzer unsicher und ziemlich verloren. »Ich liebe dich, Lissa«, flüsterte er verzweifelt.
Sie löste sich von ihm und schaute mit einem strahlenden, lausbübischen Lächeln zu ihm auf. »Ich liebe dich auch, Jack. So, und jetzt wollen wir dich hier herausholen.«
Drei Tage später stand Tess auf der windgepeitschten Anhöhe oberhalb der Kanaka Bay und starrte mit verschränkten Armen über die spiegelglatte Wasserfläche. Die Schatten der Dämmerung sanken herab und tauchten die Welt in eine Vielfalt von Grautönen. Ed Warbass stand an ihrer Seite, die Kinder lagerten auf einer großen Decke. Alle hielten den Blick auf die Meerenge gerichtet.
Tess kaute nervös an ihrem abgenagten Daumennagel, während sie angestrengt über das dunkle Wasser in die Weite sah.
»Warum dauert es nur so lange?«, murmelte sie.
Ed legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. »Im Telegramm hieß es, sie würden heute Abend kommen. Vielleicht mussten Jack und Charlie nach der Anhörung noch Papierkram erledigen.«
Tess schaute sich um und bemerkte nun erst die Leute, die sich am Ufer zusammengefunden hatten. Sie sah Ed mit gerunzelter Stirn an. »Was machen sie hier?«
Er zog die Schultern hoch. »Wer weiß?«
Tess tat die Frage ab. Sie hatte Wichtigeres im Kopf. Endlich würde ihr. Mann nach Hause kommen.
Sie richtete den Blick wieder auf das ruhige Wasser. Und wartete.
Jack saß im kleinen Kanu, den Hut tief in der Stirn, und paddelte in Richtung Kanaka Bay Ein strahlender, rot gestreifter purpurner Abendhimmel spiegelte sich im dunkelgrauen Wasser, aus dem sich in der Ferne ihr Ziel tiefschwarz hervorhob. Er dachte an die letzten Tage. Er und Charlie hatten Seite an Seite gearbeitet, hatten Beweise gesammelt, Zeugen aufgeboten, Fakten zusammengefügt, unnötigerweise, wie es sich zeigen sollte, denn mit Joe Nuannas Geständnis war der Mord aufgeklärt.
»Sieht aus, als würde ein Haufen Leute warten«, sagte Charlie ruhig.
Jack kam aus dem Rhythmus. Ungeschickt stieß er sein Paddel ins Wasser und versuchte wieder, es gleichmäßig zu heben, zu senken und durchzuziehen. Wasser schwappte gegen die Seiten des Kanus.
»Machen Menschen dich nervös?«, fragte Charlie und lehnte sich zurück.
Jack nickte.
»Das kannst du dir getrost abgewöhnen. Du gehörst zu
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