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Im Bann seiner Küsse

Im Bann seiner Küsse

Titel: Im Bann seiner Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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spürte. Sein Rücken war nach einem Tag in gebeugter Haltung wie zerbrochen.
    Er hob den schweren Kopf und blickte um sich. Jim stand vor dem Schuppen über ein zappelndes Schaf gebeugt, Sikes und die zwei Indianer in einer geraden Linie hinter ihm. Jack war der Letzte. Neben ihnen, draußen im Pferch, waren gut hundert Schafe, die noch geschoren werden mussten. Die wolligen Rücken der eng zusammengedrängten Tiere sahen aus wie rosig angehauchte Höcker, als die letzten Sonnenstrahlen sie berührten.
    Jack schob den Hut aus der feuchten Stirn. »Kommt, Burschen, wie wär's, wenn wir für heute Schluss machen?«
    »Juhuu!«, schrie Jerry Sikes zurück und ließ sein geschorenes Schaf los. »Ich dachte schon, wir würden nie aufhören.«
    Die Männer Schoren die Tiere fertig, die sie noch in Arbeit hatten, und schlössen dann das Gatter hinter sich. Jack warf den Tieren im Pferch mit der Gabel Heu zu, und damit war das Tagewerk erledigt.
    Zu müde, um viel zu reden, gingen die Männer zurück zur Scheune, wo ihre Bettzeugrollen bereits auf frischem Stroh ausgebreitet lagen.
    »Herrgott, bin ich fertig«, sagte Jerry und ließ sich auf seinem Bettzeug nieder. »Ich vergesse doch jedes Jahr, wie verdammt hart diese Arbeit ist.«
    Jim lachte. »Stimmt genau. Ich hätte mit der Familie nach Texas gehen und Rinder züchten sollen.«
    Jack ging zur Werkbank und zündete eine Lampe an. Die Flamme flackerte auf dem groben Docht, dann fing sie sich. Helles, goldenes Licht erfüllte die dunkle Scheune.
    »Heiliger Bimbam!«, rief Jerry aus. »Was ist denn mit deiner Werkbank passiert?«
    Jack zuckte zusammen und warf einen verlegenen Blick auf Tess' Werk. Die riesige gelbe Tulpe schien vom Licht belebt zu vibrieren. Wider Willen lächelte er. »Meine Frau meinte, dass ich die Dinge zu ernst nehme. Sieht aus, als hätte sie sich vorgenommen, dies zu ändern.«
    Die Männer lachten. Alle bis auf Jim Hannah, der merkwürdig still war.
    »Was überlegst du, Jim?«, fragte Jerry und streckte sich auf seinem Bettzeug aus.
    Ohne die Werkbank aus den Augen zu lassen, griff Jim nach einem Strohhalm und steckte ihn zwischen die Zähne. »Tja, ich weiß nicht ... aber Mrs. Rafferty hat irgendwie Recht.« Er schaute zu Jack hoch. »Ein Mann kann sich glücklich schätzen, wenn seiner Frau an Veränderungen liegt.« Jack fing Jims wissendes Lächeln auf und dachte plötzlich: Wir könnten Freunde sein. Nicht nur Nachbarn, die einander gelegentlich aushelfen, sondern aufrichtige Freunde.
    Freundschaft mit einem Mann war etwas, das Jack schon vor langer Zeit aufgegeben hatte; um einen Freund zu gewinnen, musste man ein Freund sein, eine Verpflichtung, zu der er bisher nicht fähig gewesen war. Doch als er nun in Jims lächelndes, unvoreingenommenes Gesicht blickte, glaubte Jack, hier eine Chance zu sehen.
    »Jack, wissen Sie, dass Sie gar nicht so übel sind, wie alle sagen«, sagte Jerry lässig. »Und bei der Arbeit sind Sie verdammt gut.«
    Ehe Jack antworten konnte, öffnete sich das Scheunentor, und alle drehten sich um. Im Eingang stand Tess, die Hände hinter dem Rücken. Das Haar war zu einem schiefen, über einem Ohr hängenden Knoten zusammengefasst. Lose Strähnen hingen ihr in feuchten Ringellocken in die Stirn. Sie sah aus, als hätte sie stundenlang am Herd gestanden.
    Sie lächelte. »Na, schon Feierabend?«
    Die Männer rafften sich auf und nahmen die Hüte ab, »'n Abend, Mrs. Rafferty«, sagte Jerry. »Das Abendessen war heute köstlich. Danke vielmals.«
    Tess strahlte. »Danke, Mr. Sikes. Ich weiß es zu schätzen. Ich bringe einen kleinen Imbiss, damit Sie es bis zum Frühstück aushalten.« Sie trat ein und stellte einen vollen Korb zwischen Jerry und Jim. »Ein wenig Apfelwein, Brot und Geflügelreste. Hoffentlich schmeckt es Ihnen.« Sie warf Jack ein rasches Lächeln zu. »Keine Angst. Savannah hat es zubereitet.«
    »Danke, Mrs. Rafferty«, sagte Jim.
    Sie nickte und wandte sich an Jack. »Kommst du heute hinüber?«
    Die Männer johlten und lachten.
    Jack sah Tess mit trägem Lächeln an. »Aber sicher.«
    »Gut.« Tess hängte sich bei ihm ein und führte ihn zur Scheunentür. Die Männer lachten noch immer, als die Tür sich hinter ihnen schloss.
    Die einfallende Nacht war herrlich. Sterne funkelten, ein sanfter Wind wehte, Erwartung lag in der Luft. Gespannte Erwartung.
    Arm in Arm gingen sie zum Haus, leichtfüßig wie schon seit langem nicht mehr. Als ob beide an die bevorstehenden Küsse dachten ... oder von

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