Im Bett mit Brad Pitt
die anderen begeistert »John F. Kennedy!« schreien, unterdrücke
ich verschämt ein Gähnen, und als ich wieder hochblicke, fällt mein Blick
zufällig auf Jason Griffin.
Hoppla! Täusche ich mich, oder grinst der da in seiner Ecke? Nicht,
dass es mich wundern würde bei dem Kasperltheater, das hier abgeht.
Andererseits, was kümmert es mich? Ist doch gut so. Mit diesen
supereinfachen Kinderübungen können wir uns wenigstens nicht zum Affen
machen …
Ach, jetzt kapier ich’s erst. Genevieve macht es absichtlich so
leicht für uns, damit sie sich mit ihrer Dilettantentruppe nicht vor dem großen
Jason Griffin blamieren muss.
Ich atme erleichtert auf. Meine Anspannung ist auf einmal wie
weggeblasen, und während Vanessa mit Schmollmund und zuckersüßer Barbiestimme
»Happy Birthday, Mr. President …« anstimmt, überlege ich, welche
Figur ich spielen soll. Wir hatten bisher Martin Luther King, Jacko,
John F. Kennedy, jetzt gerade die Monroe, wen also hat Genevieve sich wohl
für mich ausgedacht?
Als sie mich zu sich winkt, neige ich in lässiger Neugier mein Ohr
zu ihr hin. Cäsar wäre zum Beispiel gut, ich könnte dann »Veni,
vidi, vici« sagen, oder noch besser Kleopatra, dann würde ich so tun,
als würde mich eine Schlange beißen und …
»Lilly, du bist jetzt eine Vagina «, raunt
Genevieve mir ins Ohr, und dann nickt sie mir aufmunternd zu.
…?
Ich muss mich wohl verhört haben. Das liegt sicher am Stress.
»Wie war das?«, frage ich deshalb mit einem unsicheren Lächeln nach.
»Du bist eine Vagina «, wiederholt
Genevieve leise, aber diesmal eine Spur ungeduldiger.
»Wie soll ich das denn spielen?«, entfährt
es mir, und alle sehen mich überrascht an.
Genevieve mustert mich ohne jedes Verständnis. »Lass dir etwas
einfallen, dazu sind wir doch hier! Kindchen, wenn ich sogar einen Stein darstellen konnte, dann wird das hier doch wohl nicht
zu schwer für dich sein«, fügt sie tadelnd hinzu, als hätte sie mir
aufgetragen, ein Kätzchen zu spielen oder ein Huhn.
»Aber Genevieve, im Vergleich zu den anderen ist das …«, starte
ich einen Protest, doch sie schneidet mir einfach das Wort ab.
»Lilly, Lilly, ich sehe schon, du hast das Wesen der Schauspielerei
noch nicht richtig begriffen«, holt sie aus. »Bei jedem Film und bei jeder
Aufführung gibt es verschiedene Rollen, und mit denen ist man mal zufrieden,
mal nicht. Aber auch, wenn dir deine Rolle heute keine Freude bereitet, so muss
sie doch gespielt werden, damit das Ganze funktioniert. Pars pro toto , verstehst du? Jeder muss
seinen Beitrag leisten, das ist das Grundprinzip jeder Inszenierung.« Sie legt
eine kleine Pause ein, dann schiebt sie mit beunruhigendem Blick hinterher:
»Das ist doch kein Problem für dich, oder?«
Ein Problem? Für mich?
Natürlich ist das ein Problem, weil ich verdammt noch mal keine
blöde Vagina spielen will! Weil ich eigentlich überhaupt nichts spielen will
und weil ich auch gar keine Schauspielerin werden möchte, sondern bloß meine
beste Freundin hierherbegleitet habe …
Am liebsten würde ich losschreien vor Wut und alles hinschmeißen,
doch dann sehe ich Emmas flehenden Blick.
Mist. Ich habe ihr ein Versprechen gegeben, und sie hat mir diese
superteure Reise bezahlt. Ich blicke in die Gesichter der anderen, die mich
gespannt anstarren, und ich sehe rüber zu Jason Griffin, der sich jetzt
erwartungsvoll nach vorn gebeugt hat.
Ach, was soll’s? Spiele ich eben diese doofe Vagina, mir doch egal.
Sollen sie ihren Spaß mit mir haben, juckt mich überhaupt nicht. Diese blöde
Schauspielerei interessiert mich nämlich kein bisschen, und Jason Griffins
Meinung kann mir eigentlich auch gestohlen bleiben.
Ich atme tief durch, dann denke ich einen Moment lang nach, bis ich
endlich eine Idee habe, und setze mich auf das alte Sofa.
Ich werfe einen letzten Blick in die Gesichter der anderen, dann
strecke ich meine Arme und Beine nach vorn und spreize sie weit auseinander,
wozu ich ein erfreutes Gesicht mache.
Die anderen beginnen sofort drauflos zu raten, und ich höre »Oprah
Winfrey empfängt Barack Obama«, »Totenkopfschmetterling«, »Erblühende
Rosenknospe«, »Auster, die gegessen werden will« und noch einiges mehr.
Okay. Und jetzt Teil zwei meiner Vorstellung. Ich verziehe mein
Gesicht, als müsste ich plötzlich weinen, dann schließe ich schlagartig meine
Arme und Beine wieder.
Eine Sekunde lang könnte man eine Stecknadel fallen hören, dann
raten sie wieder wild
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