Im Blut vereint
schreitet sehr schnell voran. Das kommt bei dieser Art der Übertragung manchmal vor. Aber es ist schon ein extremer Fall.« Sie hielt kurz inne und räusperte sich dann. »Ich glaube kaum, dass er jemals wieder ein vernünftiges Gespräch führen wird. Sein Sehvermögen lässt auch nach.«
Es war entmutigend und frustrierend. Sie waren so nah dran gewesen. So nah dran. Aber eine Woche zu spät. Jetzt würde Dr. Mazerski ihre Fragen nie mehr beantworten können. Sie waren auf die Auskünfte seiner Kollegen, seiner Angehörigen und auf die Krankenhausakten angewiesen.
Ethan blickte Dr. Lachlan an. »Wie oft haben Sie Dr. Mazerski während der letzten zwei Wochen gesehen?«
Sie sah ihm in die Augen. »Wir hatten sieben Schichten zusammen. Samstag vor zwei Wochen, Montag, Mittwoch, Freitag, Sonntag, Dienstag und dann letzten Freitag, als er im OP durchgedreht ist.«
»An dem Montag vor zwei Wochen, war das eine Tag- oder eine Nachtschicht?«
»Eine Nachtschicht.«
Lamond richtete sich auf. An diesem Montag war Lisa MacAdam umgebracht worden.
»Waren Sie die ganze Zeit mit ihm zusammen?«
»Da muss ich unsere OP -Protokolle durchsehen, aber wenn ich mich recht erinnere, haben wir um 21:45 Uhr operiert. Wir haben den Patienten gegen 2:50 Uhr früh zugemacht, und dann hatten wir noch einen Patienten, der direkt danach an die Reihe kam. Ja, ich glaube, wir waren ständig zusammen.«
Ihr Pieper gab ein Signal von sich. Sie blickte auf das Display und fluchte. »Und ich dachte, ich wäre für heute Abend fertig.« Sie lächelte bitter. Ethan begriff, dass das ein Witz gewesen war – die Uhr an der Wand zeigte auf kurz nach 12:00. Dr. Lachlan warf einen letzten Blick auf ihren Patienten. »Ich muss los.« Sie eilte zur Tür. »Wir haben zu wenig Personal.« Von ihrem Pieper gehetzt lief sie hinaus.
»Ich beschaffe uns die Berichte«, sagte Lamond, »aber wenn sie recht hat …«
Ethan ging zur Tür. »Wenn sie recht hat, ist Dr. Mazerski nicht unser Täter. Sondern nur ein armes Schwein.« Ein Mann, der eine trauernde Ehefrau und zwei kleine Kinder hinterlassen würde. Wenigstens war es unwahrscheinlich, dass sich seine Familie bei ihm angesteckt hatte. Doch was für ein tragischer Verlust von Talent, von Hoffnungen, von Lebenszeit.
Wie furchtbar musste es für Dr. Clare sein, mit anzusehen, wie der brillante Verstand ihres Ehemannes gnadenlos verfiel? Wie alles, was sie sich vom Leben erhofft hatten, einfach weggewischt wurde? Und doch hatte er in ihren Augen eine verzweifelte Entschlossenheit bemerkt. Den Blick einer Frau, die überleben wollte. Mit leisem Schrecken erinnerte er sich daran, dass er diesen Ausdruck auch einmal in Kates Augen entdeckt hatte.
Unter den wachsamen Blicken des Pflegepersonals verließen sie die Station und betraten den Fahrstuhl. Dr. Roberts war anscheinend aufgehalten worden. Zumindest dafür musste man dem Himmel dankbar sein.
Schweigend fuhren sie zum Parkdeck hinunter. Sobald sie im Wagen saßen, sagte Lamond: »Mann, und ich dachte wirklich, wir hätten eine heiße Spur.« Man sah ihm an, wie frustriert er war. »Wenn diese Ärztin recht hat, sind wir unseren Hauptverdächtigen los.«
Ethan nahm einen Schluck von seinem kalten Kaffee. »Wem sagen Sie das.« Die Enttäuschung verstärkte noch das Brennen in seinem Magen. Er stellte den Kaffeebecher wieder in den Halter. Der Mörder war immer noch auf freiem Fuß. Was hatten sie übersehen? Wie schaffte es der Typ, keine Spuren zu hinterlassen?
Ethan rieb sich das Kinn und berührte kratzige Stoppeln. Er brauchte eine Rasur. Er brauchte Schlaf. Beides würde warten müssen. »Ich glaube, wir sind trotzdem auf der richtigen Spur. Wir haben nur noch nicht den richtigen Mann.«
41
Donnerstag, 17. Mai, 13:00 Uhr
Dr. Gill war kein Strohmann. Vielmehr war er ein Hauptgewinn für die Hollis University. Kate überflog noch einmal seinen Lebenslauf. Auf der Website der Universität waren die zahlreichen Forschungsstipendien aufgelistet, die er bekommen hatte. Dort stand auch, dass er in der engeren Wahl für einen mit einer Million Dollar dotierten Lehrstuhl für neuromuskuläre Forschung war. Aus einer beigefügten Pressemeldung ging hervor, dass man ihm Chancen auf den Nobelpreis zurechnete.
Dieser Mann war ein hoch angesehener Wissenschaftler. Was hatte er mit
BioMediSol
zu tun? Benutzte die Firma nur seinen Namen?
In ein paar Stunden würde Kate es herausfinden. Jetzt musste sie erst einmal ihre Fälle bearbeiten und sich
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