Im Blut vereint
mit den Fäusten auf seine Brust einschlagen und sich für das rächen, was er zu ihr gesagt hatte. Für jedes einzelne verletzende Wort.
Dieser Scheißkerl.
Woher wusste er so genau, wie er ihr wehtun konnte? Wie er es anstellen musste, das Messer in der Wunde umzudrehen?
Der Fahrstuhl war leer. Sie drückte auf den Knopf fürs Parkdeck, lehnte den Kopf an die Spiegelwand und schloss die Augen.
Sie war überrascht gewesen, als er plötzlich in ihrem Büro aufgetaucht war – gerade als sie sich auf den Weg zu Dr. Gill machen wollte. Hatte er irgendwie erfahren, was sie vorhatte?
Hatte er herausfinden wollen, wie viel sie über
TransTissue
wusste?
Sie konnte nicht fassen, wie dreist er war. Erst hatte er sich demonstrativ dafür entschuldigt, ihre Notizen gestohlen zu haben – und im nächsten Moment machte er ihr Vorwürfe.
Das Schlimme daran war, dass er recht hatte.
Sie war geradewegs in Ethans Falle getappt. Sie hatte sich bereit erklärt, ihm die Notizen auszuhändigen, ohne darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn er seine Informationsquelle preisgeben musste. Hätte Ethan etwa darauf verzichtet, irgendeiner Spur zum Halifax-Schlächter nachzugehen, nur um sie zu schützen?
Natürlich nicht.
Randall Barrett hatte sie gerettet.
Und das wurmte sie mehr als alles andere.
Sie wollte nicht gerettet werden. Nein, falsch: Sie wollte keine Fehler machen, die dazu führten, dass jemand sie retten musste – am allerwenigsten Randall Barrett.
Sie wollte nicht in seiner Schuld stehen.
Denn das konnte sie sich nicht leisten. Der Preis war zu hoch. Nicht nur, weil es ihrer Karriere schadete. Es gab noch einen anderen Preis, einen sehr persönlichen. Vorhin hatte es einen Moment gegeben – wieder so einen gottverdammten Moment –, in dem Randall offenbar von ihr erwartete, dass sie sein Verlangen zur Kenntnis nahm. Mehr noch, dass sie es erwiderte. Und ihr Körper hatte mitgespielt. Eine brennende Sehnsucht war in ihr aufgelodert. Eine Sehnsucht, von der sie wusste, dass sie sie verzehren würde. Noch nie, nicht einmal bei Ethan, hatte sie so auf einen Mann reagiert.
Dass sie es bei Randall tat, machte sie wütend. Dass er mit einem einzigen Blick ihr Urteilsvermögen außer Kraft setzen und ihren Körper zum Leben erwecken konnte, jagte ihr höllische Angst ein.
Es war demütigend.
Sie stieg in ihren Wagen und fuhr aus dem Parkhaus. Sie musste weg von hier, weg von Randall Barrett.
Am schlimmsten von allem war, dass er sie besser verstand als irgendjemand sonst.
Das war verdammt beängstigend.
Er war ihr Chef. Und einer der besten Anwälte in der Stadt. Das machte es noch beängstigender. War er nicht derjenige gewesen, der John Lyons dazu gebracht hatte, sie an dem Fall mitarbeiten zu lassen? Gut möglich, dass er auch in die Machenschaften von
TransTissue
verstrickt war. Würde er dann erraten, dass sie den Zulieferer ausfindig machen wollte? Würde er tatenlos zusehen?
Er durfte von ihrem Vorhaben nichts erfahren.
»Craig.« Sein Arbeitgeber stand vor ihm und versperrte ihm den Weg von der Kühltruhe zum Arbeitsplatz.
Craig schaute von dem Tablett auf, das er gerade in den Händen hielt.
Dr. Gill blickte ihm direkt in die Augen. »Das muss aufhören. Sofort.«
»Es ist z-z-zu spät.« Craig lächelte leicht.
»Es ist nie zu spät, Craig.« Dr. Gill sprach nun etwas leiser. »Sie könnten einfach aufhören. Jetzt. Die Polizei kann nichts beweisen. Niemand würde es je erfahren.«
»S-Sie haben mir ga-gar nichts zu sa-sa-sagen.« Craig drängte sich an ihm vorbei. »Dr. K«, fügte er noch hinzu.
Dr. K.
Diesen Spitznamen mochte sein Arbeitgeber gar nicht. Wenn Craig ihn so nannte, wurde Dr. Gill jedes Mal kreidebleich. Erstaunlich, was Gewissensbisse und Scham alles anrichten konnten.
Diesmal erstarrte sein Chef und zog den Kopf auf diese irritierend vogelartige Weise zurück. Craig hatte gewusst, dass er das tun würde. Er konnte alles vorhersagen.
Jedes. Scheiß. Bisschen.
»Nein.« Der hochgeschätzte Herr Doktor drehte sich zu ihm um. Seine Hände zitterten. Sie
zitterten
. »Bitte«, sagte Dr. Gill mit heiserer Stimme. »Ich flehe Sie an. Hören Sie auf damit.«
Ein Gefühl der Macht durchströmte ihn, rauschte wie eine gewaltige Woge durch seinen Körper. Der hochgeschätzte Herr Doktor hatte ja völlig die Hosen voll.
Er lächelte. »F-f-früher ha-ha-haben Sie sich auch nie beschwert.« Er lehnte sich an die Arbeitsplatte. »Da wa-wa-waren Sie froh, wenn ich sie in aller
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