Im Blut vereint
unauffällig verhalten. Sie war heute früh wie gewohnt zur Arbeit erschienen. Alles sollte normal wirken. John Lyons sollte sie weiter für ahnungslos halten.
Sie schob den Zettel mit Dr. Gills Adresse unter die Fallberichte auf ihrem Schreibtisch.
Randall Barrett marschierte an den Büros der Mitarbeiter vorbei. Er wollte zu einem ganz bestimmten Büro.
Er hatte Kate seit Tagen nicht mehr gesehen. Seit er mit ihr im Fahrstuhl gefahren war. Wenn er daran dachte, wie prüfend sie ihn angesehen hatte, spürte er immer noch einen seltsamen Druck auf der Brust. Sie hatte genau gewusst, was aus den Notizen geworden war. Dass er sie entwendet hatte. Sie hatte nur nicht gewusst weshalb.
All das ging ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf.
Vor ihrer geöffneten Tür blieb er stehen. Sie wandte ihm dem Rücken zu und beugte sich gerade vor. Er konnte nicht anders: Sein Blick fiel auf ihren wohlgeformten Po.
Er zwang sich wegzuschauen. Sie schien gerade ihre Aktentasche zu packen. Er sah nach der Uhrzeit: 15:05. Ein wenig früh, um schon zu gehen. Aber seit die Fälle MacAdam und
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für sie abgeschlossen waren, hatte sie weniger zu tun.
»Sind Sie beschäftigt?«
Sie erstarrte beim Klang seiner Stimme, dann richtete sie sich auf und wandte sich um. »Nein, ich bin nicht beschäftigt.« Sie versuchte nicht zu verbergen, dass sie gerade hatte gehen wollen, sondern legte ihre Autoschlüssel offen auf den Schreibtisch. Ihr Blick war herausfordernd. »Kommen Sie rein.«
Zu seiner eigenen Überraschung schloss er die Tür und setzte sich in einen der Sessel. Sie nahm widerwillig ebenfalls Platz. »Ich habe vom Fall
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gehört, Kate.«
Auf ihrer blassen Haut zeigte sich eine leichte Röte. Dann zuckte sie die Schultern. »John hat dem Mandanten zu einem Vergleich geraten.«
Randall blickte sie prüfend an. Und sie beobachtete ihn ebenso aufmerksam. »Er sagt, Sie hätten gute Arbeit geleistet.«
Die Worte hatten nicht die erwartete Wirkung. Sie verzog den Mund. »Freut mich zu hören.« Sie sah ihn durchdringend an. Irgendetwas lief hier ab, gleich unter der Oberfläche. Ein vollkommen anderer Dialog. Es war, als könnte er die Lippenbewegungen sehen, aber nicht hören, was geredet wurde.
Kate musste doch frustriert sein, nicht mehr an einer Aufgabe wie dem Fall
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mitarbeiten zu dürfen. Er beugte sich etwas vor. »Es kommen schon noch neue Fälle, Kate. Welche, die dann auch vor Gericht gehen.«
»Ja. Ich weiß.« Sie schien auf etwas zu warten.
»Ich werde dafür sorgen, dass Ihnen in den nächsten Wochen etwas zugeteilt wird.«
Wieder verzog sie den Mund. »Danke.«
Sie wollte, dass er ging. Das war deutlich zu spüren. Ihre Verachtung ebenfalls.
Er durfte das nicht auf sich beruhen lassen. Sie musste einsehen, dass sie ihm trotz allem vertrauen konnte. Dass er nur versucht hatte, sie zu schützen. Er lehnte sich zurück. »Ihre Vermutung trifft zu.«
Er hatte erwartet, dass ihm auf diese Enthüllung hin Wut oder sogar Abscheu entgegenschlagen würden. Aber nicht, dass sie erschrecken würde. Sie blickte schnell zu einem Zettel, der unter den Fallberichten hervorschaute, und dann wieder zu ihm. Kein Zweifel, auf ihrem Schreibtisch lag etwas, das er nicht sehen sollte. Aber was?
»Von welcher Vermutung sprechen Sie?«, fragte sie scharf. Er zuckte innerlich zusammen: Offenbar vermutete sie so einiges, und nach ihrem Tonfall zu urteilen, war nichts davon schmeichelhaft. Zugleich bewunderte er sie für die schlagfertige Antwort. Vor allem wenn man bedachte, wie angespannt sie aussah. Ihre Wangenknochen zeichneten sich deutlich unter der Haut ab.
Randall kämpfte gegen den plötzlichen Drang an, ihre Wangen zu streicheln. Er räusperte sich. »Ich habe Ihre Notizen an mich genommen.«
Sie lehnte sich zurück. »Ich weiß.« Diese beiden Worte wiederholten nur, was ihr Blick ihm bereits verraten hatte. Verachtung und Wut waren in ihren Augen zu lesen. Auch, wie sehr er sie verletzt hatte.
Er beugte sich vor. »Kate, es tut mir leid.« Diese Entschuldigung schien sie zu überraschen, und das versetzte ihm einen Stich. Er versuchte, es nicht zu zeigen. »Ich habe es nicht gern getan.«
Sie verschränkte die Arme. »Hat Richterin Carson Sie darum gebeten?«
»Es tut mir leid. Diese Frage kann ich nicht beantworten.« Er würde Hope nicht belasten.
Ihr Blick war herausfordernd. »Werden Sie mir die Notizen zurückgeben?«
»Nein. Ich habe sie vernichtet.«
»Natürlich.«
Er wusste,
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