Im Blut vereint
Wagentür.
Inmitten von weißen Hundehaaren lag da ein kleines Häufchen frischer Hundescheiße.
Finn öffnete die andere Hintertür, zog eine Plastiktüte über die Hand und machte sich daran, das Malheur zu beseitigen. »Pfui. Das tut mir wirklich leid, Detective.« So ganz konnte er seine Schadenfreude jedoch nicht verbergen. Er griff nach dem Hundehaufen und knotete die Tüte zu. »Alaska hat im Park sein Geschäft nicht erledigen können.«
Der Wagen stank die ganze Fahrt über.
Nachdem sie sich im Revier die Hände gewaschen und Alaskas Hinterlassenschaft entsorgt hatten, führte Ethan Finn Scott in einen »harten« Vernehmungsraum. Dabei kämpfte er seine schlechte Laune nieder. Er musste freundlich und locker wirken und Finn dazu bringen, ihm zu vertrauen. Er rang sich ein Lächeln ab. »Dieser Hund ist ein echter Unruhestifter, oder?«
Der Hundeausführer zögerte. »Äh, ja, stimmt. Er ist ein ziemlicher Racker, so viel ist sicher.«
Nun wusste er wenigstens, dass der Hundeausführer nicht lügen konnte, selbst wenn sein Leben davon abhinge.
Leider begriff Ethan bereits nach zehn Minuten, dass Finn Scott bei aller Ehrlichkeit nichts zu gestehen hatte.
Für die Nächte, in denen Lisa und Sara Harper ermordet worden waren, hatte er wasserdichte Alibis. Beide Male hatte er bei seinem Zweitjob als Barkeeper im Stadtzentrum gearbeitet. Seine Schichten gingen von 21:00 Uhr bis 3:00 Uhr früh.
»Weshalb haben Sie sich bei Shonda Bryant nach Lisa MacAdam erkundigt?«, wollte Ethan wissen. Er war enttäuscht. Der einzige Dreck, auf den er bisher gestoßen war, war Alaskas Hundehäufchen. Und diese Spur war ganz bewusst gelegt worden.
»Ich habe Lisa MacAdam gekannt. Sie war ein nettes Mädchen. Sie hatte es nicht verdient, so zu sterben.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Weshalb waren Sie in der Agricola Street und haben Shonda Bryant nach Lisa gefragt?«
Finn wirkte ärgerlich. »Weil Sie und Ihre Leute offenbar nichts rausfinden.«
Ethan biss die Zähne zusammen. Noch so ein kluger Junge, der glaubte, er könnte es besser machen als die Polizei. »Ist Ihnen klar, dass Sie damit unsere Ermittlungen gefährden?«
Finn zuckte die Schultern. »Shonda hat gewusst, dass ich ein Freund von Lisa bin. Ich dachte, vielleicht redet sie mit mir offener als mit der Polizei.« Er sah Ethan direkt in die Augen. »Ich hätte alles gemeldet, was ich herausfinde. Aber Shonda hat mir gar nichts Neues verraten. Sie hat gesagt, sie hätte alles schon der Polizei erzählt.« Er blickte ein wenig beschämt drein.
Ethan seufzte. »Sie können von Glück sagen, dass Sie nicht alles verpfuscht haben, Mr Scott.«
»Was gibt es denn da noch zu verpfuschen?« Er verschränkte die Arme. »Ich möchte, dass Lisa Gerechtigkeit widerfährt, Detective. Ich möchte, dass dieses Schwein für das bezahlt, was er ihr angetan hat.«
Ethan blickte ihn prüfend an. Gegen alle Vernunft freute es ihn, dass Finn etwas unternommen hatte. Also gab es doch jemanden, dem Lisa zu ihren Lebzeiten nicht gleichgültig gewesen war. »Es mag Sie überraschen, Mr Scott. Aber mir geht es genauso.«
43
Donnerstag, 17. Mai, 16:00 Uhr
»Gerade eben war eine Kate Lange bei mir im Labor. Sie wollte wissen, was mit den Leichen der Spender passiert. Kennst du sie?«
Anna schloss die Augen. Kate Lange. Warum schnüffelte sie in der Sache herum? »Ja. Was hast du ihr gesagt?«
»Dass die Leichen eingeäschert werden.«
»Aber doch wohl nicht, dass das bei uns passiert, oder?«
»Das musste ich ihr sagen, Anna. Sie hat direkt danach gefragt.« Ron Gills Stimme klang gepresst.
»Verdammt.« Anna Keane rieb sich die Schläfen. Alles geriet ins Wanken. Wie Dominosteine. Erst Craig und jetzt Kate Lange. Aber Anna würde sich nicht mit umstoßen lassen, sie würde nicht untergehen. Dafür hatte sie zu hart gearbeitet, um O’Briens verstaubtes Bestattungsinstitut in einen modernen, freundlichen Betrieb zu verwandeln.
Leichenteile für die medizinische Forschung zu akquirieren, schien dabei ein naheliegender Nebenerwerb zu sein. Und nicht nur das: Für sie lag fast etwas Poetisches darin, dass sie Toten Gewebe entnahm, um den Lebenden zu dienen. So war der Tod keine Verschwendung mehr. Die Toten fügten sich ein in den ewigen Kreislauf des Lebens. Sie konnten in Frieden ruhen.
Aber dann hatte alles eine schreckliche Wendung genommen. Ausgerechnet Dr. Ronald Gill,
der
Hoffnungsträger der biomedizinischen Forschung, dessen Arbeit solche Wunder
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