Im Blut vereint
verhieß, hatte einen Mörder entfesselt. Er hatte seinen Assistenten Craig Peters zu ihr geschickt, damit dieser sich um das Zerlegen der Leichen kümmerte. Craig machte das glänzend. Und er schaute auch nicht hin, wenn sie die Überreste der Leichen an Firmen verkaufte, die mit Gewebe handelten oder es weiterverarbeiteten. John Lyons hatte Craig sogar zum Geschäftsführer ihrer neu gegründeten Firma
BioMediSol
gemacht, um sicherzustellen, dass er nie etwas über den illegalen Handel mit Gewebe verlauten ließ.
Dann war Anna aufgefallen, dass Craig manchmal auch im Bestattungsinstitut vorbeischaute, wenn es geschlossen war. Sie merkte, dass der Einbalsamierungsraum im Obergeschoss während der Nacht benutzt wurde. In der Kühltruhe fand sie zusätzliche Körperteile vor. Allerdings nicht jedes Mal. Was ging da oben vor?
Sie wollte dem sofort ein Ende setzen. Aber John Lyons war dagegen. Dann würden sie alle auffliegen, behauptete er. Er und sie müssten Konkurs anmelden und würden wegen des illegalen Handels mit Leichenteilen im Gefängnis landen. Ron weigerte sich ebenfalls, die Vorgänge zu melden. Denn dann hätte die Ethikkommission der Universität sofort sein Forschungsprojekt gestoppt, weil er illegal erworbene Leichenteile verwendet hatte. Mit seiner wissenschaftlichen Laufbahn wäre es vorbei gewesen.
Und Anna war dumm und naiv gewesen.
Sie hatte auf die beiden gehört.
»Wir müssen etwas tun«, sagte Ron jetzt. »Dringend. Kate Lange ist uns auf der Spur.« Er senkte die Stimme. »Und Craig hat immer öfter diese Krampfanfälle.«
Sie bekam eine Gänsehaut. Schon Ron Gill war ihr ein wenig unheimlich. Aber vor Craig Peters hatte sie eine Riesenangst. Trotzdem durfte sie sich von den beiden nicht einschüchtern lassen. Wenn sie einen Ausweg aus diesem Schlamassel finden wollte, musste sie alles im Griff behalten. »Was meinst du, was ist der Grund?«
»Das weiß ich nicht. Zuerst dachte ich, es wäre eine neurologische Störung … Aber jetzt frage ich mich, ob er krank ist.«
Sie horchte auf. »Krank? An welche Krankheit denkst du?«
Er sprach so leise, dass sie seine nächsten Worte kaum verstand. » CJK . Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. Er hat immer wieder Phasen, in denen er völlig erstarrt, sich unbeholfen bewegt oder nicht sprechen kann. Das sind typische Symptome für CJK .«
»Ist das tödlich?« Sie hielt den Atem an. Sollte die Lösung so einfach sein?
»Ja.«
Sie lächelte.
Dann schwiegen sie beide. Es war ein unangenehmes Schweigen, so beängstigend, dass das Lächeln von Anna Keanes Lippen schwand.
»Wir könnten die Krankheit auch haben, Anna«, flüsterte Ron Gill stockend.
Sie umklammerte das Telefon. »Was? Wieso?«
»Ich habe darüber nachgedacht, wo Craig sich CJK geholt haben könnte. Ich glaube, er hat sich angesteckt, als er eine infizierte Leiche zerlegt hat.« Er hielt kurz inne. »Wir hatten alle mit den Leichen zu tun.«
Eine Flut von Gedanken schoss ihr durch den Kopf. Ihre Hand war schweißnass, und sie nahm das Telefon ans andere Ohr.
»Hast du dich irgendwann mal geschnitten, während du mit Gewebe hantiert hast?«, fragte er.
»Nein.«
»Dann besteht für dich vermutlich keine Gefahr.« Vor Erleichterung sank sie in sich zusammen. Ron räusperte sich. »Für mich schon.«
»Gibt es einen Test oder so etwas, mit dem du das nachprüfen könntest?«
»Nein. Und manchmal dauert es Jahre, bis die Krankheit ausbricht …« Seine Stimme erstarb. Wahrscheinlich malte er sich gerade aus, was das für ihn bedeutete.
Sie musste etwas sagen. »Es tut mir so leid, Ron.« Das war gelogen. Sie wollte nur noch, dass der Albtraum aufhörte. Eigentlich hatte sie doch nur die medizinische Forschung unterstützen wollen – und nebenher ein wenig Geld verdienen. Aber dann hatte sie sich von einem skrupellosen Wissenschaftler verführen lassen. Und sein psychopathischer Assistent, der nicht einmal die Facharztausbildung geschafft hatte, versetzte sie nun in Angst und Schrecken.
Damit musste Schluss sein.
Irgendwie mussten sie diesen Serienmörder wieder unter ihre Kontrolle bekommen.
»Meinst du, er ist überhaupt in der Lage, noch weiterzumachen?«
»Ja. Die Krankheit ist noch nicht weit genug fortgeschritten. Aber er könnte nachlässig werden. Ich mache mir Sorgen, dass die Polizei ihn findet.«
»Was sie zu uns führen würde.« Sie hörte ihr Herz laut pochen.
»Genau.«
Das Lämpchen für den Geschäftsanschluss begann zu blinken. Das durfte sie nicht
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