Im Blut vereint
kleinen Milchkännchen, einer Zuckerdose und einem Teller Zuckerplätzchen auf ein Tablett und trug es zum Tisch. Offenbar hatte sie die Sachen vorbereitet, während sie auf Kates Besuch gewartet hatte.
»Danke sehr.« Kate gab etwas Milch und Zucker in ihre Tasse und nahm einen Schluck.
Claudine setzte sich dicht neben sie. Sie hielt ihre Tasse mit ihren schmalen Händen umfasst. »Sie haben gesagt, Sie hätten ein paar Fragen zu Vangie?«, fragte sie leise.
»Ja. Zuallererst, hat Vangie jemals den Namen Mary Littler verwendet?«
Claudine schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Sie hat sich immer Vangie genannt.«
Also doch. Mary Littler war höchstwahrscheinlich ein erfundener Name. Um ganz sicher zu sein, fragte Kate: »Hatte sie ein Tattoo am Fußknöchel? Einen Kolibri?«
»Ja, das hat sie machen lassen, als sie siebzehn war. Warum wollen Sie das wissen? Haben Sie sie gesehen?« Sie schaute Kate ängstlich an. Mit dieser Frage schwanden auch Kates letzte Zweifel an Anna Keanes Schuld …
Sie schluckte. Während der Fahrt hatte sie sich zurechtgelegt, was sie Claudine sagen wollte, aber die Erklärung, dass die Leiche ihrer Schwester zerlegt und stückweise verkauft worden war, blieb ihr im Hals stecken. »Ich glaube, sie ist tot.«
Claudine schaute in ihre Kaffeetasse. »Das habe ich mir gedacht.« Sie hob das Kinn und sah Kate in die Augen. »Sie war schon sehr krank, bevor ich überhaupt davon erfahren habe, was mit ihr ist.«
»Krank?« Kate sah sie verblüfft an. »Was hatte sie denn?«
Claudine holte einen Brief hervor. »Ich hatte vorher noch nie davon gehört. Kreuz-Feld-Jakob oder so ähnlich. Hier, lesen Sie mal.«
Kate faltete das Blatt auseinander. Im Briefkopf bemerkte sie das Logo des Gesundheitsministeriums von Nova Scotia.
»Der Brief ist gekommen, kurz nachdem Vangie verschwunden war.«
»An Ihre Adresse?«
»Sie hatten schon versucht, Vangie zu erreichen, aber zu der Zeit hat sie auf der Straße gelebt. Ich war ihre nächste Verwandte.«
Kate stellte die Tasse ab und überflog den Brief.
Sehr geehrte Ms Wright,
leider müssen wir uns in einer ernsten Angelegenheit an Sie wenden. Dem Gesundheitsministerium liegen besorgniserregende Informationen über Patienten vor, die mit menschlichen Wachstumshormonen behandelt wurden. Unseren Unterlagen zufolge haben Sie menschliche Wachstumshormone eines Spenders erhalten, bei dem später die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit ( CJK ) auftrat. Es besteht die Gefahr, dass Sie ebenfalls diese Krankheit entwickeln. Bitte nehmen Sie umgehend Kontakt zu uns auf.
Kate ließ den Brief sinken. »Wusste Vangie, dass sie mit CJK in Berührung gekommen ist?«
Claudine schüttelte den Kopf. »Nein. Aber ich glaube, sie hatte die Krankheit. Ich habe sie ein paar Wochen vor ihrem Verschwinden noch gesehen, und da hat sie sich ganz komisch benommen. Sie war seit Monaten ständig zugedröhnt, also dachte ich, es liege am Crack. Ich war richtig wütend auf sie. Dass sie verschwunden war, habe ich überhaupt erst gehört, als die Polizei deswegen angerufen hat. Eine ihrer Freundinnen hatte sie als vermisst gemeldet.« Sie nippte an ihrem Kaffee und blickte traurig vor sich hin. »Als dann der Brief kam, habe ich beim Gesundheitsministerium angerufen. Sie haben mir ein paar Symptome beschrieben.«
»Und sie hat die Krankheit durch Wachstumshormone bekommen?«
»Ja. Vangie war extrem klein. So ein bisschen wie sie …« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf Tania. »In unserer Familie sind alle klein, aber sie war die Kleinste. Mit acht hat sie Spritzen gekriegt, damit sie besser wächst.«
Aber das Medikament in den Spritzen war mit CJK verseucht gewesen. Kates Gedanken überschlugen sich. Wenn Mary Littler wirklich Vangie Wright war, dann war ihre infizierte Leiche von
BioMediSol
zerlegt und stückweise verkauft worden. Vielleicht waren Teile ihres Körpers anderen Menschen implantiert worden. Menschen, die sich von dieser Operation Heilung versprachen.
»Sie ist also tot?« Claudine blickte sie aus ihren braunen Rehaugen forschend an.
»Ich fürchte ja.«
»Das habe ich mir gedacht. Aber ich hatte gehofft …« Claudine sah wieder in ihre Kaffeetasse. »Ich hatte gehofft, dass sie vielleicht irgendwo in einer Entzugsklinik ist, weil sie mit dem Crack aufhören will. Das hatte sie schon mal gemacht.« Tränen traten ihr in die Augen. »Aber irgendwie habe ich geahnt, dass sie tot ist.« Eine Träne lief ihr über die Wange. Sie wischte sie nicht
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