Im Blut vereint
Fäusten.
»Verschweigen ist auch eine Art zu lügen.«
Sie starrte ihn an. Innerhalb von vier Monaten war aus dem Mann, der sie liebte, ihr Ankläger geworden.
Das Blut pochte ihr in den Schläfen. »Du kommst einfach nicht damit klar, dass du als Detective fast eine Frau geheiratet hättest, deren Vater wegen Veruntreuung verurteilt wurde.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Es geht nicht nur um deinen Vater, Kate.«
Sie erstarrte. Sie wusste, worauf er anspielte. Nun gewann ihre Wut vollends die Oberhand. Und Kate wehrte sich nicht mehr dagegen. »Was meinst du damit?«
»Ich muss wissen, was mit deiner Schwester passiert ist.«
Kate blickte ihm direkt ins Gesicht. »Vicky hat wohl den Polizeibericht nicht finden können?«
»Warum machst du alles so verdammt kompliziert?« Auch er war wütend, und sein Gesicht war wie erstarrt. »Ich möchte wissen, was passiert ist.«
»Du denkst, ich bin schuld, nicht wahr? Weil ich mich weigere, mit dir darüber zu reden, denkst du, ich hätte etwas Schlimmes getan.«
»Ja, zum Teufel – ja, das gibt mir zu denken.«
»Weißt du was, Ethan? Ich habe es verdammt noch mal satt, dass du mich wie eine Verdächtige behandelst.«
»Und ich habe es verdammt noch mal satt, dass du mich wie einen Idioten behandelst. Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass deine ›Geheimnisse‹ aktenkundig sind? Dass ich irgendwann alles herausfinden würde?«
»Sei nicht so herablassend. Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe.« Sie zog an Alaskas Leine und stolperte auf die Verandatreppe zu.
Ethan rief ihr hinterher: »Du hast recht. Ich habe keine Ahnung. Weil du es mir nicht sagst.« Er sprach noch lauter. »Es geht hier um Vertrauen, verdammt noch mal. Wenn du es nicht mal schaffst, mir die Wahrheit zu sagen …«
Kate blieb plötzlich stehen. Vor vier Monaten hatte sie ihm die Wahrheit nicht sagen können. Aber, bei Gott, jetzt konnte sie es. Damit er endlich wusste, wie froh er sein sollte, dass er sie los war. Sie wandte sich um. »Du willst also die Wahrheit hören?«
»Ja«, sagte er leise.
»Gut.«
Du öffnest die Büchse der Pandora, mein Schatz, aber du hast es so gewollt.
Sie atmete tief durch. Zwang sich, ganz ausdruckslos zu sprechen. »Hier ist sie.«
Ihr Blick hielt seinen gefangen.
»Als ich sechzehn war, habe ich meine Schwester umgebracht.«
Ethan zuckte zusammen. »Im Bericht steht, dass du am Steuer gesessen hast. Ihr hattet einen Unfall.«
»Ich bin zu schnell gefahren. Ich habe sie umgebracht.«
So einfach war das. Ein Wimpernschlag, und ein Menschenleben ging zu Ende.
»Bist du jetzt zufrieden?« Sie wartete seine Antwort nicht ab. Jetzt kannte er die Wahrheit. Wie er damit zurechtkam, war seine Sache. Kate kramte nach ihrem Hausschlüssel. Die Hundeleine verhedderte sich zwischen ihren Fingern.
»Kate. Es tut mir leid.« Die Worte klangen hohl.
»Das glaube ich kaum. Du hast, was du wolltest. Jetzt geh.«
»Kate …«
»Geh!« Kate würdigte ihn keines Blickes. Während sie den Schlüssel ins Schloss steckte, hörte sie, wie Ethan langsam den Bürgersteig entlangging, wie die Tür seines Wagens zufiel und der Motor aufheulte.
Sie schloss auf. Das aufgequollene Holz klemmte zunächst und gab dann plötzlich nach. Sie taumelte in den Flur. »Scheiße!«
Alaska rannte zur Küche, die Hundeleine im Schlepptau. Seine Pfoten hinterließen schmutzige Spuren. Im Vorbeigehen warf Kate einen Blick in den alten Flurspiegel. Die Augen, die ihr entgegenblickten, hatten dunkle Ränder aus verschmierter Wimperntusche. Sie ging in die Küche.
Alaska lief vor seinem Futternapf auf und ab und winselte erwartungsvoll. Kate bückte sich nach dem Wassernapf. Das Wasser darin schwappte ihr über die Finger. »Scheiße!« Sie knallte die Wasserschüssel auf die Arbeitsplatte. Wasser spritzte auf ihr T-Shirt. »Scheiße, Scheiße, Scheiße!«
Ihre Hände zitterten. Mit gesenktem Kopf lehnte sie sich an die Arbeitsplatte und atmete tief ein und aus, bis ihre Wut verebbte. Eine tolle Art, ihren neuen Fall zu feiern.
Als sie die Augen öffnete, sah sie Alaska neben dem Fressnapf sitzen. Er beobachtete sie. »Entschuldige, alter Junge. Du bist viel zu geduldig. Es soll nicht wieder vorkommen.«
Sie schämte sich so für ihren Wutausbruch, dass der Zorn auf Ethan dagegen verblasste. Kate nahm den Beutel
Kibbles ’n Bits
aus dem Küchenschrank und schüttete eine extragroße Portion in Alaskas Futternapf. Er machte einen Satz nach vorn und begann
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