Im Blut vereint
weiteren Gesprächsverlauf beeinflusst hat. Ob sie etwas für sich behalten hat.«
»Also haben Sie es sich gestern anders überlegt und bei der Polizei angerufen?«
»Woher wissen Sie das?« Sie blickte ihn erschrocken an.
»Vom Jugendamt.« Er war genauso erschrocken gewesen. Es hatte sein ganzes Können erfordert, sich den Schreck nicht anmerken zu lassen, sondern dem Jugendamt zu versichern, dass er volles Vertrauen in seine neue Mitarbeiterin Ms Lange habe.
Sie lehnte sich zurück. »Das Jugendamt hat Sie angerufen?«
»Ja. Dort prüft man jetzt, ob Sie Ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen sind. Anscheinend hat Mrs MacAdam der Polizei etwas anderes erzählt als Ihnen.« Er sah sie durchdringend an.
»Oh Gott.« Sie wurde so blass, dass er fast aufgestanden wäre, um sie zu stützen, doch er unterdrückte sein Mitleid. Ja, ihre Situation war nicht eben beneidenswert. Es war herzzerreißend. Aber er wusste aus jahrelanger Erfahrung, dass er seine Gefühle gerade dann streng kontrollieren musste, wenn sie wie jetzt förmlich an die Oberfläche drängten. Er durfte Kate nicht merken lassen, wie leid sie ihm tat. Der gute Ruf der Kanzlei hing davon ab, dass er ihr Vorgehen objektiv beurteilte. Eins war allerdings offensichtlich: Die letzte Information war ihr neu gewesen. Es schien ganz so, als hätte ihre Mandantin sie gelinkt.
Kate richtete sich auf, eisern entschlossen, und hob das Kinn. »Was haben Sie dem Jugendamt gesagt?«
Gut so, Mädchen. Wehr dich.
Der Gedanke blitzte in ihm auf und brachte ihn aus der Fassung. Schon wieder. »Dass ich mit Ihnen reden und danach zurückrufen würde.«
»Aha.« Ihr Blick glitt prüfend über sein Gesicht. Nach einer langen Pause fragte sie leise: »Was werden Sie dem Jugendamt sagen?«
Was ihm sein Bauchgefühl die ganze Zeit über gesagt hatte. »Dass Sie richtig gehandelt haben.« Endlich zeigte er das Mitgefühl, das er bisher unterdrückt hatte.
Sie schien sich etwas zu entspannen.
»Möglicherweise wird das Jugendamt ein unabhängiges Gutachten einholen, Kate.«
»Ich verstehe.«
»Aber ich persönlich glaube, dass Sie, was Ihre Mandantin betrifft, richtig gehandelt haben.«
Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. Er sehnte sich danach, sie zu trösten. Ihr eine Hand auf die Schulter zu legen. Sie an sich zu ziehen. Ihre feuchten Wimpern an seiner Haut zu spüren.
Meine Güte. Was war los mit ihm? Er lehnte sich zurück.
Sie wandte den Blick ab. »Danke.« Sie stand auf.
Es ging nicht anders. Er hob die Hand. »Ich bin noch nicht fertig.«
Sie setzte sich wieder hin und hielt den Blick abgewandt, bis ihre Tränen getrocknet waren. Mit der Erleichterung kehrte ein Hauch Farbe in ihre Wangen zurück. Sie musste die ganze Woche hindurch unter dem Konflikt gelitten haben.
Er wusste, warum ihr die Geschichte so zu schaffen machte.
Auch wenn sie es nicht ahnte – und er es ihr nie erzählen würde: Er wusste über ihre Schwester Bescheid. Und über ihren Vater. Durch einen Zufall kannte er Kates Vorgeschichte. Seine Mutter war die Geschäftsführerin jener Bank gewesen, bei der Kates Vater Geld unterschlagen hatte.
Schon aus diesem Grund hatte er sich John Lyons’ Wunsch widersetzt, Kate bei LMB einzustellen. Hinzu kam der Eindruck, dass John Lyons nicht nur als Kates Mentor an ihr interessiert war. Randall sah Kate nachdenklich an. War da etwas zwischen den beiden? Sie hatte hart gearbeitet, um ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Dafür bewunderte er sie. Mehr, als er ihr je zeigen würde. Aber mit dieser Bewunderung wäre es auf der Stelle vorbei, wenn Kate sich von John Lyons verführen ließe. Eigentlich müsste sie auch wissen, was er von einer Affäre in seiner Kanzlei halten würde. Wusste das nicht schließlich jeder? Verbittert verzog er den Mund.
Sie sah ihn erwartungsvoll an. In ihren Augen lag ein Leuchten, das vorher nicht da gewesen war. Randall erstickte es nur ungern, aber seine Pflichten der Kanzlei gegenüber ließen nichts anderes zu. »Richterin Carson will von uns wissen, weshalb ihre Schwiegermutter nur ein paar Tage vor dem Mord an ihrer Tochter hinter ihrem Rücken juristischen Rat eingeholt hat.« Er hielt kurz inne. »Sie ist außer sich, weil Sie Lisas Verschwinden der Polizei gemeldet haben.«
»Woher weiß sie das denn?« Hatte Ethan es ihr gesagt? Kate stieg das Blut in die Wangen.
»Wie es scheint, von Ihrer Mandantin.«
Kate starrte Randall an. Marian hatte sie verraten. Aber dann stellte sie
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