Im Blut vereint
mehr verrieten. Kate sah mitgenommen aus. Sie hatte dunkle Schatten um die Augen. Doch der Ausdruck in ihren bernsteinfarbenen Augen war eine Warnung. Sie rechnete mit einem Angriff und schien entschlossen, sich keinen Schmerz anmerken zu lassen.
Er versuchte es anders. »Mir ist klar, dass ich Mrs MacAdam selbst zu Ihnen geschickt habe. Aber sie hat mich nicht über ihre Beziehung zu Richterin Carson informiert.«
»Das hat mich in der Tat etwas gewundert«, sagte Kate. Ihr Tonfall war so steif wie ihre Haltung. »Aber es hätte nichts geändert. Das Sorgerecht zu beantragen war in ihrem Fall einfach wenig aussichtsreich. Sie hatte kaum etwas in der Hand.«
»Ich verstehe.« Er zögerte. Plötzlich war er seltsam unsicher, wie er weiter vorgehen sollte. Er strich sich übers Haar. »Hören Sie, Kate, ich glaube durchaus, dass Sie Mrs MacAdam gut beraten haben …« Sie wandte den Blick ab.
Sie selbst glaubt es nicht.
Er machte sich innerlich eine Notiz. »Aber Ihrer Pflicht gegenüber der Kanzlei sind Sie nicht nachgekommen. Sie hätten mich darüber informieren müssen, dass es ein heikler Fall ist.«
Kate richtete sich auf und sah ihm in die Augen. So offen und fest, als könnte sie ihm in die Seele blicken. Das war nun wirklich beunruhigend.
»Aus meiner Sicht war es kein Fall.«
Nicht gerade zerknirscht.
Er versuchte, sich keine Gefühle anmerken zu lassen. Sie musste begreifen, dass sie nun zu einem Team gehörte. Einem Team, das nur so stark war wie sein schwächstes Glied. Diesen Trotz durfte er ihr nicht durchgehen lassen. »Ihre Einschätzung ist unwichtig.« Ihre Schultern versteiften sich kurz – die feine Betonung des »Ihre« war ihr nicht entgangen. Randall entspannte sich etwas. Er konnte sie also doch aus der Ruhe bringen, genau wie sie ihn. »Sie arbeiten jetzt in einer der besten Kanzleien von Halifax. Nicht mehr in einer Zwei-Mann-Kanzlei. Sie müssen an unseren guten Ruf denken.«
»Glauben Sie mir, den habe ich keinen Moment aus den Augen verloren.« Er glaubte so etwas wie Selbsthass in ihrem Blick zu lesen. Dann sah sie weg, und als sie wieder aufschaute, drückte ihre Miene nur noch Entschlossenheit aus. Er sollte nicht merken, wie sehr der Fall MacAdam sie mitnahm. Wahrscheinlich dachte sie, er würde sie sonst für schwach halten.
Diesen Panzer zu knacken wird eine Weile dauern.
Er schlug einen sanfteren Ton an. »Kate, warum sind Sie nicht zu mir gekommen? Ich hatte Marian MacAdam doch zu Ihnen geschickt.«
Sie hob das Kinn. »Ich fand, es gäbe nichts zu berichten.« Ein Aufblitzen in ihren Augen verriet ihm, was sie nicht aussprach: dass er der Letzte war, den sie um Rat bitten würde.
Die Erkenntnis tat weh – etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Es erschreckte ihn und brachte ihn aus dem Tritt, sodass seine nächsten Worte schroffer ausfielen als beabsichtigt. »Ihre Mandantin hatte Angst, dass ihre Enkelin sich selbst in Gefahr bringt, aber Sie fanden das nicht berichtenswert? Nicht mir gegenüber und auch nicht gegenüber dem Jugendamt?«
Kate wurde blass. »Sie sagte, sie hätte keine Beweise.«
»Haben Sie ihr erklärt, dass das Jugendamt die für sie beschaffen könnte?«
»Ja.« Ihre Stimme wurde immer leiser. »Ja. Das habe ich.«
»Warum haben Sie dann nicht beim Jugendamt angerufen?«
»Ich war mir nicht sicher, ob es das Richtige wäre.« Sie sah aus dem Fenster seines Büros, aber in Wirklichkeit schien ihr Blick nach innen zu gehen. Sie erforschte ihr Gewissen.
Randall wartete ab. Er musste wissen, warum Kate sich so entschieden hatte. Es war ein Test für ihre beruflichen Fähigkeiten, und den war er seiner Kanzlei schuldig.
Schließlich sagte sie: »Mrs MacAdam wollte die Angelegenheit privat regeln. Sie hatte Angst, Lisa würde nicht zu ihr ziehen wollen, wenn sie die Behörden einschaltete …«
»Aber Kate, wenn das Mädchen sich selbst gefährdet hat, waren Sie gesetzlich verpflichtet, es zu melden!«
»Ich weiß!« Sie funkelte ihn an. »Meinen Sie, das wüsste ich nicht?« Ihr Tonfall änderte sich abrupt. »Der einzige Anhaltspunkt, den Mrs MacAdam mir nennen konnte, war, dass Lisa manchmal eine Verabredung zum Abendessen nicht einhielt. Kaum etwas Ungewöhnliches für einen Teenager.«
»Glauben Sie, dass sie die Wahrheit gesagt hat?«
Sie blickte weg. »Ich war mir nicht sicher. Als ich ihr erklärt habe, dass ich verpflichtet bin, solche Fälle dem Jugendamt zu melden, war sie aufgebracht. Ich habe mich schon gefragt, ob das den
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