Im Blut vereint
um. Brûlée hatte es sich unter einer Fußbank mit Brokatbezug gemütlich gemacht, die viel zu zerbrechlich aussah, um das Gewicht von Füßen zu tragen.
Ein Sofa mit Samtbezug bildete einen rechten Winkel mit einem Zweiersofa in einem wunderschönen tiefen Kirschrot. Kate sah sich die Möbel genauer an. Ihre Farben waren kräftig und jugendlich, aber sie passten trotzdem hierher. Beide Stücke sahen ziemlich neu aus. An den Polstern waren erst wenige Kratzspuren zu erkennen.
Muriel putzte sich die Nase. Kate sah zu ihr hin und lächelte zaghaft. Die alte Dame trug einen langen karierten Rock und eine Strickjacke in Heidegrün. Sie sah aus wie viele andere ältere Damen, denen Kate in Halifax schon begegnet war, außer dass sie zwei alte Blechhaarspangen in Form von Scotchterriern trug, und zwar verkehrt herum.
»Hallo Muriel«, sagte Kate.
Muriel blickte ihr forschend ins Gesicht. »Mutter hat gesagt, ich muss um fünf zu Hause sein.«
»Ich verstehe.« Kate lächelte wieder zaghaft.
»Aber ich möchte noch bleiben!«, rief Muriel aus und verzog kummervoll das Gesicht.
»Wir fragen Mutter einfach, Mil«, sagte Enid, die in diesem Augenblick mit einem großen Tablett ins Zimmer kam. Kate stand auf und half ihr, das Tablett auf dem Couchtisch abzusetzen. »Vielen Dank, meine Liebe.« Enid goss Muriel eine Tasse Tee ein. »Warum kommst du nicht herüber, Mil? Hier gibt es Tee und dieses Mürbegebäck, das du so magst.«
Muriels Miene hellte sich auf. Sie stand vom Klavierhocker auf und setzte sich auf das rote Zweiersofa. Ihre Hand glitt immer wieder über den Samtbezug. Brûlée sprang auf den freien Platz neben ihr. Muriel gab ihm ein Stück von ihrem Keks, und der Kater kletterte auf ihren Schoß.
Enid goss Kate und sich selbst Tee ein und setzte sich neben Kate auf das Sofa. Sie senkte die Stimme. »Ich wollte mit Ihnen reden. Ich brauche Ihren Rat.«
Kate schaute zu Muriel hinüber. Sie streichelte Brûlée und summte dabei leise vor sich hin.
Enid folgte Kates Blick. »Sie wird nichts mitbekommen. Und wenn, wird sie es vermutlich nicht verstehen.« Enid setzte ihre Tasse ab. »Gestern war ich bei einem Bestattungsinstitut, um Vorkehrungen zu treffen. Für mich und Mil.«
Kate ahnte, was jetzt kommen würde. Gedanklich ging sie schon einmal durch, welche Regelungen bei Enid und Muriel sinnvoll sein könnten: Testamente, Vollmachten, Gemeinschaftskonten.
»Ist mit Muriel alles in Ordnung?«, fragte Kate. Sie wusste nicht viel über Alzheimer.
Enid lächelte verkniffen. »Den Umständen entsprechend. Mil baut ziemlich ab. Aber jetzt hat mir mein Arzt gesagt, dass ihm mein Herz Sorgen macht. Das sagt er alle zehn Jahre. Diesmal hat er mich allerdings an einen Herzchirurgen überwiesen.« Sie nippte an ihrem Tee. »Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich mich unters Messer begeben soll oder nicht. Aber dies scheint mir der richtige Zeitpunkt, um für den Fall vorzusorgen, dass mir etwas zustößt.« Sie blickte kurz zu Muriel hinüber. Ihre Miene war besorgt. »Ich habe mich an ein Pflegeheim gewandt und Mil auf die Warteliste setzen lassen. Außerdem bin ich zu einem Bestattungsinstitut gegangen, damit alles für die Beerdigung geregelt ist, wenn einer von uns etwas zustößt …«
Sie sagte »wenn einer von uns etwas zustößt«, nicht »falls«. Kate schaute Enid an. Unter den müden, von blauen Äderchen durchzogenen Lidern blickten Augen hervor, die schon viel gesehen hatten. Jetzt lag in ihnen ein Ausdruck von ruhiger Entschlossenheit. Wenn man einmal über achtzig war, wurden manche Ungewissheiten wohl zur Gewissheit.
Enid beugte sich vor. »Ich habe mit der Bestatterin gesprochen, und wir haben alles Schriftliche erledigt. Danach hat sie gefragt, ob ich meine sterblichen Überreste für wissenschaftliche Zwecke spenden möchte. Ich muss wohl erwähnt haben, dass ich früher Krankenschwester war, denn sie sagte, sie könne sich vorstellen, dass jemand mit meinem Vorwissen gern die medizinische Forschung unterstützt.«
»Und wie stehen Sie dazu?« Kate fragte sich, wie sie sich fühlen würde, wenn man sie aufforderte, ihren Körper nach dem Tod für wissenschaftliche Zwecke herzugeben.
»Nun ja, sie sagte, diese Forschungen kämen Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen zugute, deshalb wollte ich mehr wissen. Daraufhin hat sie mir die Spenderformulare gegeben. Ich habe eins unterzeichnet, denn nach allem, was ich erlebt habe, würde es mich freuen, wenn dieser alte Sack voll
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