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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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ziselierten Elefanten. Er ging um die
Bibliothek herum und erblickte das Nachtlicht, das den Hintereingang erleuchtete, den Lello erwähnt hatte. Dort drückte er auf den Klingelknopf.
    Die Tür wurde geräuschvoll geöffnet, und im schillernden Licht der Eingangshalle erschien eine stämmige Gestalt mit zerzaustem Haar.
    » Si?«, sagte der Mann, der unsanft aus dem Schlaf gerissen worden war, mit heiserer Stimme.
    »Entschuldigen Sie, dass ich Sie geweckt habe, ich bin Nathan Falh, ich komme soeben aus Paris. Sie sind…«
    Ein breites Lächeln erhellte das Gesicht des jungen Mannes und offenbarte einen kräftigen Kiefer. Er antwortete Nathan in perfektem Französisch, auch wenn ein leichter italienischer Akzent nicht zu überhören war.
    » Si , si! Ich bin Lello. Treten Sie ein, treten Sie ein. Buongiorno , Monsieur Falh. Hatten Sie eine gute Reise?«
    »Ausgezeichnet, ich danke Ihnen«, erwiderte Nathan, während er ins Haus trat.
    »Es tut mir sehr leid, aber Ashley ist noch nicht aus Rom zurück. Ich hatte nicht einmal Gelegenheit, ihn von Ihrem Kommen zu verständigen, aber er müsste eigentlich jeden Augenblick hier sein. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Tee, Kaffee? Oh! Er wird sich freuen, Sie zu sehen. Ihr Manuskript … Aber vielleicht wollen Sie sich erst einmal ausruhen? Ich kann Ihnen ein gutes Bett anbieten.«
    Nathan hatte verstanden.
    »Danke für den Tee, aber die Fahrt war lang, und…«
    »Folgen Sie mir, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«
    Nathan folgte ihm, und sie gingen durch einen langen Gang, an dessen Ende eine schmale Steintreppe nach oben führte. Oben angekommen, gingen sie einen weiteren Gang entlang, in dessen Wände geschlossene Nischen eingelassen waren. Insgesamt mochten es an die sechzig sein. Während sie die kleinen Holztüren, denen man die Jahrhunderte ansah, öffneten und
wieder schlossen, erklärte Lello: »Ursprünglich gehörte die Bibliothek zu einem Kloster. Das hier sind die Zellen der Mönche, darin haben sie gelebt. Oh! Das war sicher nicht immer lustig. Hm? Aber Ashley hat Ihnen das alles sicher schon erzählt! Seien Sie unbesorgt, ich gebe Ihnen dasselbe Zimmer wie das letzte Mal, Sie haben doch im Fürstenzimmer gewohnt, nicht wahr?«
    Nathan nickte und versuchte dabei, so selbstsicher wie nur möglich zu wirken. Der Italiener blieb vor einer mächtigen Tür stehen, holte einen Bund mit großen Schlüsseln aus der Tasche und öffnete sie im Handumdrehen.
    »Fühlen Sie sich wie zu Hause. Bis später, schlafen Sie gut …«
     
    Der Luxus des Zimmers bildete einen deutlichen Kontrast zu der sonstigen Strenge des Ortes. Große, alte, fast schwarze Möbel warfen ihre Schatten auf die Wandteppiche, die unbekannte italienische Fürsten mit schwarzbraunen Augen und pechschwarzem Haar darstellten und die mit Edelhölzern getäfelten Wände schmückten. In jeder Ecke des Raums verbreiteten kleine Lampen mit Schirmen aus handbemalter Seide gedämpftes Licht über das rote Mahagoni eines großen, mit Allegorien geschmückten Betts.
    Er war also schon einmal hier gewesen, er hatte sogar hier geschlafen … Doch er hatte keinerlei Erinnerung daran.
    Nathan stellte seine Sachen ab und besichtigte die Räumlichkeiten, wobei er erneut sein Gedächtnis auf die Probe stellte. Er öffnete eine erste Tür, die in ein Arbeitszimmer führte, in dem ein quadratischer Schreibtisch mit Schreibzeug sowie ein mächtiges Bücherregal standen, auf dem sich dicht an dicht Hunderte alter Bücher aneinander reihten. Er würde sie sich später ansehen. Anschließend ging er quer durch das Schlafzimmer auf die andere Seite und öffnete eine zweite Tür. Das Badezimmer. Genau das hatte er gesucht. Er ging in den Raum aus hellem Marmor, vermied es, in den Spiegel zu blicken,
und ließ sich ein Bad ein. Kurze Zeit später schlüpfte er in einen Bademantel und warf sich auf das Doppelbett, das ihn verzweifelt zu rufen schien. Nachdem er das Licht gelöscht hatte, erforschte er ein letztes Mal seinen Geist, ließ die Fragen schweifen, auf der Suche nach einem Erinnerungsfetzen – vergeblich. Jedes Mal kehrte er an die Oberfläche zurück, in die Leere seiner Wirklichkeit.
    Morgen … nur Geduld …, dachte er. Im selben Augenblick verschleierte sich sein Blick, und ohne sich dagegen zu wehren, schlief er ein.
    7
    Seine erste Wahrnehmung war der kalte Stahl des Laufs, der gegen seine Stirn gedrückt wurde. Nathan blieb merkwürdig ruhig und reglos. Lang anhaltende Adrenalinstöße gingen durch seinen

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