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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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Papieren in den Safe geschlossen«, sagte Rhoda seelenruhig.
    »Wie…«
    »Kleine Durchsuchung.«
    Sie schwieg, näherte ihr Gesicht dem seinen und fuhr im gleichen Ton fort: »Wer bist du?«
    Nathan fluchte innerlich. Als sie seine Kleidung durchsucht hatte, hatte sie entdeckt, dass er nicht dieser Alexandre war, den sie gekannt hatte. Sie hatte sich sein Vertrauen erschlichen, um ihn besser in die Enge treiben zu können.
    »Je weniger du weißt, desto besser ist es.«
    Rhoda sah ihn mit undurchdringlicher Miene an. Ihre Augenfarbe hatte sich von Grün zu Schwarz verändert.
    »Entweder du sagst mir, wer du bist und was heute Abend passiert ist, oder du verschwindest sofort von hier.«
    Nathan überlegte rasch. Er konnte sich nicht erlauben, sie zu verlieren. Er musste sie noch aushorchen, sie verfügte bestimmt über entscheidende Informationen. Diese Frau war die einzige Verbindung zu seiner Vergangenheit, er konnte nicht auf sie verzichten.
    »Also?«
    »Okay, ich werde es dir erklären, aber nicht bevor du mir gesagt hast, wo und unter welchen Umständen wir uns begegnet sind.«
    Sie sah ihn einen Augenblick an, als wollte sie versuchen herauszufinden, was in seinem Kopf vorging, dann ließ sie sich auf einen Sessel fallen.
    »Also gut. Es war in Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, im Juli 1994… als der Völkermord in Ruanda in vollem Gang war. Ich arbeitete damals in einem Flüchtlingscamp
in Katalé, im Norden von Goma, an der Grenze. Du warst Alexandre Dercourt, ein junger Schweizer Journalist, verloren im Grauen der Massaker. Du hast Schutz gesucht. Du bist etwas mehr als zwei Wochen geblieben, und eines Morgens bist du verschwunden. Alle haben sich Sorgen gemacht, wir dachten, du seist entführt, ermordet worden… Wir haben eine Suchanzeige bei den Behörden von Zaire und der französischen Armee aufgegeben, die in der Gegend stationiert war. Vergeblich, wir haben nie wieder etwas von dir gehört. Deswegen hab ich am Flughafen so heftig reagiert, als du plötzlich gesund und wohlbehalten vor mir standest. Zuerst dachte ich, du machst dich über mich lustig, das sei ein Zufall, du seist jemand anderer … Aber ich habe die weiße Narbe an deiner Wange wiedererkannt, deine Augen… Das konntest nur du sein … Später am Abend hab ich begriffen, dass du vielleicht in Problemen steckst … Ich hab mir Vorwürfe gemacht … Ich hab auf dich gewartet… Ich hoffte, du … So, das reicht. Jetzt du!«
    Ohne zu zögern, erzählte Nathan ihr in groben Zügen seine Geschichte.
    »Nachdem ich dich am Flughafen getroffen hatte«, schloss er, »bin ich nach Hause gefahren, und dann hab ich beschlossen, dich wiederzufinden. Und da haben diese Typen mich angegriffen, mich zusammengeschlagen und auf der Straße liegen lassen. Man will mich einschüchtern, verhindern, dass ich Nachforschungen anstelle …«
    Er hatte ihr ganz offen fast alles erzählt, aber er konnte nicht das Risiko eingehen, sich zu kompromittieren, indem er den Doppelmord zugab, den er gerade begangen hatte, auch wenn er in Notwehr gehandelt hatte. Er hatte bemerkt, dass Rhodas Gesicht, je länger er erzählt hatte, einen immer entsetzteren Ausdruck angenommen hatte und schließlich kreidebleich geworden war. Sie war sich ihrer gedrückten Stimmung durchaus bewusst und versuchte, das Gesicht zu wahren.
    »Wenn du nicht in diesem Zustand angekommen wärst,
würde ich glauben, dass du ganz schön unter Paranoia leidest …«
    Aber sie hatte sich in ihrer eigenen Falle gefangen. Sie gab ihre Deckung auf, was Nathan sofort ausnutzte.
    »Ich brauche dich, ich muss dir noch mehr Fragen über unsere Begegnung stellen, über meinen Aufenthalt in Afrika …«
    Sie stand auf, nahm eine Frucht aus dem Korb und setzte sich wieder ins Licht. Ihr Körper war schlank und muskulös, und jede ihrer Bewegungen hatte die Leichtigkeit eines Vogels. Sie war weniger hübsch, als er zuerst geglaubt hatte, aber jeder ihrer Gesichtszüge hatte einen ganz eigenen Charme, der sie unverwechselbar machte.
    Sie zerteilte eine Pampelmuse.
    »Willst du?«
    Nathan öffnete die Hand und nahm das Stück Grapefruit, das sie ihm reichte. Die Nacht war ruhig. Der bittersüße Geschmack des Fruchtfleisches durchströmte ihn wie eine kühle Welle.
    »Was willst du wissen?«, fragte sie.
    »Erzähl mir noch mehr von Ruanda, von Katalé und den ganzen Umständen… Frisch meine Erinnerung auf.«
    »Das ist ziemlich kompliziert … Zusammenfassend würde ich sagen, dass

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