Im Blutkreis - Roman
Schlag seinen Brustkorb und raubte ihm den Atem. Er brach zusammen. Er lag auf der Erde, auf der Seite, die Lider geschlossen, Blutgeschmack im Mund. Als er die Augen wieder öffnete, sah er nur den Lichtkegel des Laserzielgeräts, der in seinen Pupillen tanzte. Der gesichtslose Killer zielte auf ihn, es war vorbei. Er würde hier krepieren, ohne jemals zu erfahren, warum. Seine zusammengepressten Lippen öffneten sich einen Spalt.
»Sag mir … sag mir, wer ich bin …«
Schweigen. Der Killer blieb stumm wie ein Schatten. Dann stieg plötzlich eine Beschwörungsformel wie eine Klage in die Nacht empor. Eine seltsame Sprache. Gutturale Silben wurden immer mächtiger, hallten wider in Nathans Bewusstsein, der kein einziges Wort verstand. Der Killer drückte jetzt sein Knie gegen den Oberkörper seines Opfers, nahm den Dolch vom Boden, erhob ihn… Nathan stoppte abrupt die Bahn der Klinge, die auf sein Herz zielte. Er packte das Handgelenk des Mannes, drehte es gegen den Henker und schnitt das Gelenk seines Ellbogens durch. Der Killer brüllte aus Leibeskräften, versuchte zurückzuweichen und sich zu wehren, aber er hatte begriffen, dass Nathan ihn nicht mehr loslassen würde. Den Bruchteil einer Sekunde später rammte Nathan die Klinge in seinen Hals.
Gurgelndes Blut … Dann war alles vorbei.
Nicht das leiseste Geräusch war zu hören. Nathan blieb noch einen Augenblick auf dem Boden liegen und atmete die Luft, die zum Schneiden war; dann befreite er sich von dem Körper, indem er ihn von sich gleiten ließ. Tastend entfernte er das Nachtsichtgerät vom Schädel des Toten und setzte es sich auf. Alles wurde in ein grünliches Licht getaucht. Der Boden war übersät von Abfall und Glasscherben. Zu seinen Füßen lag der Leichnam mit verrenkten Gliedern und geöffnetem Kehlkopf.
Nathan hob den Dolch auf und setzte seinen Weg durch die Kellerräume fort. Sein Augenbrauenbogen blutete stark, und
seine Unterlippe war gespalten. Er musste sich beeilen, bevor er zu schwach war, um weiterzugehen.
Er kam in einen großen viereckigen, menschenleeren Hof, der von Mietshäusern umgeben war. Die Siedlung schlief. Er warf das Nachtsichtgerät in einen Mülleimer und ging im Licht der Straßenlaternen zu einem Becken, wo er seine schmutzigen Wunden unter fließendem Wasser auswusch. Das kalte Wasser linderte den Schmerz. Seine Kleider waren zerrissen, und nachdem er rasch den Inhalt seiner Jacke überprüft hatte, stellte er fest, dass er das Handy verloren hatte, das Woods ihm gegeben hatte. Sofort dachte er an den Computer, der noch immer im Flur seiner Wohnung stand. Diesmal konnte er nicht nach Hause zurück. Er sah auf die Uhr. Es war kurz vor halb zwölf. Nathan zog den Parka fester um sich und ging durch einen Durchgang in die rue de la Glacière.
Die Welt um ihn herum verwandelte sich in einen Haufen undeutlicher Gestalten und formloser Massen. Schüttelfrost überfiel ihn, ließ seine Glieder zittern und übertrug sich sogar auf seine Kiefer. Er irrte durch die menschenleeren Straßen bis zum Boulevard Saint-Jacques. Eine Fahne, die im Wind knatterte, erregte seine Aufmerksamkeit. Er wischte den Schleier aus eiskaltem Schweiß fort, der seinen Blick trübte, und entzifferte die weißen Buchstaben auf dem wogenden Stoff. Sofitel Paris Rive gauche. Er hatte sein Ziel erreicht. Als er nach oben blickte, entdeckte er den Turm, der sich vor ihm erhob. Mit seinen gebrochenen Linien und geneigten Facetten erinnerte das Gebäude an die Architektur eines Bienenstocks. Rhoda war irgendwo in einer dieser Glaswaben. Aber vielleicht war sie ja auch ausgegangen. Nathan ging an der Glasfront vorbei, die Atmosphäre der Eingangshalle, eine kontrastreiche Mischung aus hellem Holz, Marmor und bunten Fresken, hob sich vom tristen Grau des Viertels ab. Sein lädiertes Gesicht machte es ihm unmöglich, in der Hotelhalle zu warten, er würde sofort vom Sicherheitsdienst hinausgeworfen werden.
Er trat auf die Straße zurück und versteckte sich hinter einer Säule zwischen zwei Autos. Von hier aus konnte er unbemerkt den Eingang, die Rezeption und die Türen der Lifts überwachen, die sie würde nehmen müssen, um nach oben zu gelangen.
Er bewegt sich nicht. Die Zeit dehnt sich, Stunden, Minuten, Sekunden verbinden sich zu einer unendlichen Geraden. Er hat keinen Körper mehr, er ist nur noch eine von Schauern geschüttelte Seele, ein zitternder Blick, der unverwandt zu den goldenen Lichtern hinüberstarrt.
Und da erscheinen
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