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Im Blutkreis - Roman

Im Blutkreis - Roman

Titel: Im Blutkreis - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Limes
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über die Ereignisse wieder und wieder gelesen: Wie sein Kamerad ihn aus dem Labyrinth aus Blech und Eis herausgeholt hatte, wie man ihn im Senkkasten behandelt, jedes Mittel, das man ihm während des Abtransports im Hubschrauber gespritzt hatte. Vergeblich. All diese Informationen weckten keinerlei Erinnerung in ihm.
    Seine persönlichen Habseligkeiten beschränkten sich auf eine Reisetasche aus Segeltuch, Stadtkleidung, Kleidung aus Polarwolle und einen Waschbeutel. Ein kleinerer Rucksack enthielt seinen Pass, einen Impfpass, einen Satz Schlüssel, eine kleine Digitalkamera, auf deren Chip kein Bild gespeichert war, sowie eine Brieftasche, in der sich unter anderem sein französischer Führerschein und zwei Kreditkarten befanden: eine Visa Premier einer französischen Bank, deren Code er nicht kannte, und eine im Vereinigten Königreich Großbritannien ausgestellte American Express Gold. Lisa Larsen hatte ihm gesagt, dass er diese benutzen könne, eine Unterschrift reiche aus. Und er hatte fünftausend Euro in Scheinen. Doch all diese Relikte aus der Zeit »davor« waren stumm geblieben.
     
    Erschöpft von seinem Marsch, blieb Nathan stehen. Weit hinter ihm hoben die Gebäude des Krankenhauses sich vor dem Horizont wie eine im Packeis gefangene Geisterflotte ab. Nur
ein dunkler Streifen Vegetation wies auf das Vorhandensein eines Kontinents hin, von festem Land, das unter der dicken Eisschicht begraben war. Er erholte sich. Das Brennen der eisigen Luft in seinen Lungen, der Schmerz der Anstrengung, der sich in seinen Muskeln ausbreitete, waren Zeichen dafür, dass er ins Leben zurückkehrte, aber es gelang ihm nicht, das Gefühl tiefer Unruhe abzuschütteln, das ihn seit seinem Erwachen nicht losließ. Anfangs war es ihm vorgekommen, als überfielen ihn kurze Anfälle von Paranoia wie plötzliche Entladungen … Als Lisa Larsen ihn dann regelmäßig besuchte, hatte er geglaubt, dieses Gefühl wäre nach und nach verschwunden.
    Es kehrte jedoch zurück. Die Krankheit verschlimmerte sich.
    Sie nahm eine andere Form an, die zwar weniger heftig war, ihn aber nicht mehr verließ. Sie war jetzt eine quälende Angst, deren Ursache er nicht zu bestimmen vermochte.
    Die Nacht brach herein. Eine kräftige Bö arktischen Windes wirbelte den Schnee auf. Nathan zog an den Schnüren seiner Kapuze, um sich vor den Böen zu schützen, die sein Gesicht peitschten, und beschloss, in sein Zimmer in der neuropsychiatrischen Abteilung zurückzukehren.
     
    Die automatische Tür öffnete sich auf die menschenleere Eingangshalle. Nathan ging zum Lift, besann sich und machte kehrt.
    Ein heißer, schwarzer Kaffee. Das würde ihm jetzt gut tun.
    Er steuerte auf die Cafeteria zu und nannte einem jungen Angestellten, der den Boden wischte, seinen Wunsch.
    Den Becher fest in den Händen, ging Nathan durch den leeren Raum. Cremefarbene Fliesen, Tische aus Metall und Holz. Nur ein Hüne in grünem Kittel, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte, saß am großen Fenster und las. Nathan setzte sich in seine Nähe und trank einen ersten Schluck des bitteren Getränks, das ihn sofort erwärmte.

    Während er seinen Blick durch die beschlagene Scheibe wandern ließ, erklang eine sanfte und kräftige Stimme hinter ihm.
    »Sie scheinen über den Berg zu sein. Das freut mich.«
    Nathan drehte sich zu dem Hünen um, der ihn in perfektem Französisch angesprochen hatte.
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte, ich freue mich, dass Sie über den Berg sind, junger Mann. Es hatte Sie böse erwischt.«
    Nathan schwieg. Er musterte seinen merkwürdigen Gesprächspartner: ein dickes Gesicht, eckig, voller Falten, grob geschnitten. Kurzes, grau meliertes Haar. Kleine Augen, die tief in ihren Höhlen lagen und tiefe graue Ringe hatten.
    »Weckt mein Gesicht keine Erinnerungen?«, fragte der Unbekannte, ein seltsames Lächeln auf den Lippen.
    Für einen Augenblick kamen die Umrisse der massigen Gestalt Nathan vertraut vor. Doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. Nein, der einzige Mann, dem er seit seinem Erwachen begegnet war, war der Krankenpfleger, der im zweiten Stock Bereitschaftsdienst hatte. Diesen Typen kannte er nicht.
    »Wer sind Sie? Woher wissen Sie, was mit mir los ist?«
    Da war allerdings dieses Licht, das wie eine schwarze Flamme im schrägen Blick des Hünen tanzte. Nathan hatte das Gefühl, dass er diese Begegnung schon einmal erlebt, dass er diesen Mann gekannt hatte. Nein, das war unmöglich, dieses Gefühl rührte wahrscheinlich daher, dass er das

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