Im Blutkreis - Roman
mehr hinzuzufügen.
Rhoda öffnete die Tür des Zimmers und ging auf den Gang hinaus.
Sie zögerte und kam zurück.
»Nathan … Ich …«
»Ja …«
»Ich habe noch einmal nachgedacht über das, was du mich bezüglich des Camps in Katalé gefragt hast. Vorkommnisse, die möglicherweise aus dem Rahmen gefallen sind… Mir ist da etwas eingefallen, es erschien mir damals nicht wichtig, ich weiß nicht, ob …«
»Was?«
»Ich erinnere mich, dass die Gebietschefs mehrere Anzeigen bei dem Verantwortlichen des Hochkommissariats für Flüchtlinge der Vereinten Nationen, der dem Camp zugeteilt war, erstattet haben…«
»Anzeigen … aus welchen Gründen?«
»Flüchtlinge waren verschwunden… Sie wurden nie wiedergefunden. Die Behörden haben Vergeltungsakte zwischen den Hutu vermutet… aber ich erinnere mich, dass eines Abends ein kleines Mädchen zu mir gekommen ist. Sie war völlig verängstigt. Sie erzählte, man habe ihren Vater mitgenommen… Ich fragte sie, ob sie den oder die, die ihn mitgenommen hatten, kenne oder gesehen habe. Sie verneinte, sie habe sie nicht gesehen… weil man sie nicht sehen konnte … ihre Gesichter waren maskiert … Ich dachte … das sei ein Albtraum gewesen … Sie sagte … Oh, mein Gott, diese Geschichte macht mir Angst …«
»Was … was sagte sie? Rede, ich bitte dich!«
»Dass es Dämonen gewesen seien… Dämonen mit weißen Händen …«
III
27
Flughafen London-Heathrow
2. April 2002
Zehn Uhr abends
»Ashley, hier Nathan.«
»Wie geht es?«
»Nicht schlecht.«
»Wo sind Sie?«
»In London. Ich fliege nach Goma.«
»Sind Sie allein?«
»Natürlich. Wer sollte bei mir sein?«
»Und die Leichen der Killer?«
»Nichts Neues. Ich war versucht, in dem Keller nachzusehen.«
»Keine gute Idee.«
»Das hab ich mir auch gedacht. Ich habe das Hotel gewechselt, um mich von dem Viertel zu entfernen. Ich habe die Zeitungen durchgeschaut. Nichts, nicht mal eine Kurzmeldung. Ganz offensichtlich sind sie noch nicht entdeckt worden.«
»Oder jemand hat sie verschwinden lassen. Wenn die Bullen die Leichen finden, könnten sie für denjenigen, der sie auf Sie gehetzt hat, ein Problem werden.«
»Ja, das wäre möglich.«
»Schön, also, ich habe mit dem Archiv der deutschen Marine in Hamburg Kontakt aufgenommen.«
»Und das Ergebnis?«
»Die Dresden ist in der Tat in ihrer zentralen Datenbank gespeichert, aber sie können die Akte nicht finden. Sie behaupten,
sie sei verschwunden. Und es gibt kein anderes Archiv, das Unterlagen über dieses Schiff hat.«
»Sie ist gestohlen worden…«
»Wenn Sie meine Meinung hören wollen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«
»Roubaud hat sich ganz schön einseifen lassen.«
»Das scheint mir auch so … Was wollen Sie in Goma?«
»Ich habe vielleicht eine Spur. Die einzige, die mir bleibt. Ich werde Ihnen zu gegebener Zeit davon erzählen.«
»Nathan, was verbergen Sie vor mir?«
»Nichts Wichtiges, Ashley. Ich kann Ihnen im Augenblick nichts sagen, aber wenn es sich als wichtig herausstellen sollte, werde ich …«
»Nathan, wollen Sie, dass ich Ihnen helfe?«
Schweigen.
»Dann erzählen Sie mir, was in den letzten Tagen wirklich passiert ist.«
Woods Stimme klang schroff, endgültig. Nathan gab es auf, hinter die undurchsichtigen Gründe zu kommen, die ihn veranlasst hatten, seine Begegnung mit Rhoda zu verheimlichen. Er konnte auf den Engländer, der jetzt sein einziger Verbündeter war, nicht verzichten. Und in seinem Innersten spürte er ein immer größeres Bedürfnis, jemandem vertrauen zu können. Ohne Vorbehalt. Hatte Ashley ihm nicht zur Genüge bewiesen, dass er dieses Vertrauens würdig war? Nathan zögerte nicht länger und erzählte ihm von seiner Begegnung mit Rhoda, verschwieg allerdings die Umstände ihrer Trennung.
Woods hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen.
»Passen Sie auf, worauf Sie sich einlassen, Nathan.«
Deutliche Besorgnis lag in der Stimme des Engländers.
»Machen Sie sich keine Sorgen.«
Eine ganz eigenartige Rührung hatte von den beiden Männern Besitz ergriffen. Nathan brach den Zauber.
»Gibt es etwas Neues von Staël?«
»Noch nicht«, erwiderte Woods, der seinen Gleichmut wiedergefunden hatte. »Er hat seine Anfragen bezüglich der Fingerabdrücke bei den französischen und belgischen Behörden wiederholt, aber ich fürchte, das wird nicht viel bringen.«
»Das dachte ich mir schon. Und wie weit sind Sie mit dem Manuskript?«
»Ich komme
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