Im Blutkreis - Roman
Nathans Hand und knetete sie krampfhaft. Sie blickte ihn besorgt an und murmelte geheimnisvolle Worte, die wie eine Beschwörung klangen, dann verfinsterte sich der Himmel.
Nathan blieb allein in der Dunkelheit.
Zuerst drang ein Geruch zu ihm, von Humus, und er hörte keuchendes Atmen. Zwei nackte Körper tauchten auf. Der von Rhoda, seiner, schimmernd und voller Narben. Sie waren wie zwei Tiere, die sich in der weichen Erde eines Friedhofs paarten. Die Muskeln rollten unter ihrer glühenden Haut, das Geräusch ihrer Körper, die aufeinander klatschten, wurde immer lauter. Plötzlich verband sich ihrer beider Atem in einem organischen Brausen, und die Narben schwollen an, bis sie aufplatzten; Blut spritzte heraus und breitete sich in einem schwarzen, eisigen Strom aus, überflutete die junge Frau … Er schrie, brüllte ihren Namen … RHODA…
Das Schlagen einer Faust gegen die Tür seines Zimmers riss
ihn aus seinem Albtraum. Er blickte auf seine Uhr: dreiundzwanzig Uhr. Erneutes Klopfen.
Er zog sich einen Bademantel über und öffnete.
Es war Phindi Willemse.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie verlegen.
»Nur ein böser Traum. Was gibt es?«
»Man hat mir gesagt, dass Sie morgen nach Europa zurückfliegen. Ich muss selbst heute Nacht noch weg, ein dringender Transport nach Kigali … Sie haben nur die Hälfte der Dokumente bekommen, die wir für Sie vorbereitet hatten. Der Umschlag, den Sie mitgenommen haben, enthält nur die Akten des UNHCR. Als der Strom ausfiel, hatte es meine Sekretärin so eilig, nach Hause zu kommen, dass sie vergessen hat, auch den Umschlag für Sie dazulassen, der die Unterlagen unseres eigenen Archivs enthält. Hier, das sind Fotokopien, Sie können sie behalten.«
Nathan nahm den Umschlag, den sie ihm reichte.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.«
»Es handelt sich um rein medizinische Daten, Sie finden darin Autopsieberichte, Fotos der Verwundeten und einige epidemiologische Daten. Ich denke, diese Informationen werden Ihrem Artikel mehr Gewicht geben.«
»Das wird von entscheidender Bedeutung sein«, log Nathan.
»Und wie war Ihr Ausflug?«
»Nicht schlecht. Ich habe ein paar interessante Informationen sammeln können.«
»War Pater Spriet …«
Nathan begnügte sich mit einem Lächeln.
»Sie hatten Recht, er ist ein wenig eigen, aber er gehört einfach zum Inventar.«
Doktor Willemse faltete die Hände. »Ich muss los. Verpassen Sie morgen Ihren Flug nicht, die Atmosphäre, die hier in der Stadt herrscht, verheißt nichts Gutes.«
Sobald die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, öffnete Nathan den Umschlag. Selbst in Fotokopie waren die Aufnahmen der Folterungen und Autopsien unerträglich. Sein Bedarf an Grausamkeiten war gedeckt. Er legte die Fotos beiseite und konzentrierte sich auf ein gebundenes Heft mit der Aufschrift: Gesundheitssituation im Norden des Kiwu-Gebiets/Juli – September 1994.
Er blätterte es durch. Es war eine neuerliche Lawine von Zahlen, Untersuchungen, Diagrammen. Er wollte es schon wieder schließen, als eine Folge von Schlüsselwörtern seine Aufmerksamkeit erregte. Die Seiten, die er in der Hand hielt, berichteten von der Entdeckung einer nackten Frau in der Umgebung des Camps von Katalé… Der Verfasser war ein gewisser Doktor Derenne, Alain Derenne, ein für den Afrikaeinsatz abgestellter Arzt des Institut Pasteur. Nathan zog sich einen Stuhl heran und begann zu lesen.
Am 22. Juli, um 5 Uhr 45 Ortszeit (3 Uhr 45 WEZ), wurde eine junge Frau schwarzer Rasse nackt hundert Meter vom Flüchtlingscamp in Katalé von einer Patrouille französischer Legionäre gefunden. Wir wurden um 5 Uhr WEZ per Funk über diesen Fund informiert. In dem Funkspruch wurde weiter darauf hingewiesen, dass das Opfer äußerst geschwächt sei, am ganzen Körper zittere, Schweißausbrüche habe und aus dem Mund blute, was auf die Möglichkeit eines hämorrhagischen Fiebers hindeute. Professor Lestran und ich haben uns sofort nach Katalé begeben. Als wir um 8 Uhr 05 WEZ ankamen, wurden wir von Hauptmann Maurras empfangen, der uns vor Ort brachte.
ALLGEMEINE SITUATION:
Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer äußerst schwach und unfähig zu sprechen. Wir baten die Militärpersonen,
die seit der Entdeckung der Frau vor Ort waren, uns Wort für Wort das Ergebnis der Befragung mitzuteilen, die sie mit Hilfe eines Dolmetschers durchgeführt hatten.
Bestätigung der per Funk durchgegebenen Symptome. Die Patientin soll sich beklagt haben über: Fieber /
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